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Ein halbes Jahr unterwegs - auf ausgetretenen Pfaden in Kambodscha

Frauen in knappen Hosen und Bikinioberteilen, Männer mit Muskelshirts und Badehosen. Dicke, rote Bäuche, alte Grauhaarige, Durchtrainierte. Aufgestylte, junge Zierliche. Hochhackige und Flip-Flop-Tragende.  Das Spektrum der uns Begegnenden ist wieder ein buntes Bild und wir fühlen uns irgendwie noch nicht so richtig dazugehörig. Schon viele Monate haben wir nicht mehr so viele Weiße und westliche Reisende gesehen. Sind wir nach unserer Enthaltsamtkeit (lange Kleidung für Frauen, Alkohol nur in Ausnahmen und oft gar nicht verfügbar) in einem Sündenpfuhl gelandet? Spirituosen im Überfluss, Bars, Nachtclubs, Beats und leicht bekleidete Frauen. Wir freuen uns über das kalte Bier, könnten auf das restliche Beiwerk getrost verzichten. Verzicht in Südostasien? Das scheint ein Fremdwort für die Sonnenhungrigen, Partywütigen, Jungen Wilden, Alten Grauen und die Horden an Backpackern zu sein. Man ist hier, um sich zu amüsieren. Wir sind hier, weil wir eine "Lücke" von knapp zwei Wochen zwischen Oman und der Ankunft unserer Kölner Freunde in Kuala-Lumpur zu "füllen" hatten, der Flug von Kulala-Lumpur mit 25 Euro pro Person inklusive Gepäck unschlagbar günstig war, Kambodscha einfach und ohne große Organisation vorab zu bereisen ist und der Wetterbericht 10-12 Stunden Sonnenschein pro Tag prognostiziert. Wir sind uns bewusst, dass "Reiselücken füllen" quasi ein Luxusproblem von Langzeitreisenden ist. ;-)

Langzeitreisenden, die ihre Route nicht schon vorab in Form von Flügen oder anderen Verpflichtungen durchgeplant und sich festgelegt haben, eröffnen stets sich aufs Neue ungeplante Ziele. Unsere Recherchen und Entscheidung bezüglich dieser zwei Wochen im Februar haben wir lange vor uns hergeschoben - was machen wir bloß vom 04.-17.02.? Dem malaysischen Borneo und den Orang-Utans einen Besuch abstatten? Den Bromo in auf Java besteigen? Beide Destinationen liegen nur knapp zwei Flugstunden von Kuala-Lumpur entfernt, aber dort ist Regenzeit. Die Malediven individuell erkunden? Ein Flug für 150 Euro pro Person nach Male und zurück klingt reizvoll - wir müssten aber  vorab gut rechcherchieren, welche Inseln geeignet sind. Ein anderes Mal vielleicht. Auf der malaysischen Halbinsel eine der Inseln besuchen? Das wäre eine Option - ab dem 17.02. haben wir aber noch 4 Wochen auf dieser vor uns. Das Flugangebot von Malindo-Air war einfach zu verlockend. Kambodscha - wir kommen!

 

So sind wir vor zwei Tagen am späten Vormittag völlig übermüdet nach einer gut 24 Stunden langen Reise und drei einzeln gebuchten und zusammengetüftelten Flügen (Muscat - Cochin, Indien / Cochin - Kuala-Lumpur / Kuala-Lumpur - Pnomh Penh) auf dem Rollfeld in Pnomh Penh gelandet. Der Pilot lässt eine Außentemperatur von 34 Grad verkünden - es ist noch nicht mal 12 Uhr. Das Einreiseverfahren am Flughafen ist simpel: Für 30 Dollar und ein Passfoto erhalten wir ein 30-Tagesvisum für das kleine Königreich und keine halbe Stunde nach Verlassen des Flugzeuges sitzen wir auch schon in einer kambodschanischen Version von TukTuk (Motorrad mit angehängtem Beiwagen) und lassen uns durch das Roller-Auto-TukTuk-Getümmel ins Stadtzentrum und zu unserer Unterkunft bringen. Dort angekommen, freuen wir uns über die heiße Dusche, das große Bett und die Klimaanlage. Wir brauchen dringend eine Portion Schlaf, bevor es raus auf die Straßen der Hauptstadt geht. Der Zeitunterschied von drei Stunden und die durchreiste Nacht machen sich bemerkbar.

 

Vom Oman zurück ins chaotische Asien zu fliegen, ist eine kleine Herausforderung für unsere Geister und unser so lieb gewonnenes und hoch geschätztes Gefühl der Reisefreiheit: Hier sind wir wieder auf Rikschafahrer, Busse, Roller- und Räderverleiher und unsere eigenen zwei Beine angewiesen. Das System ist einfach: Langstreckenbusse können im Internet vorab gebucht werden, TukTuks stehen an jeder Ecke zur Verfügung. Ist ein TukTuk zu teuer, kommt sicher ein Motorradfahrer vorbei, der noch einen Platz frei hat und sich ein paar Dollar dazu verdienen möchte. Im Gegensatz zu Indien und Nepal scheinen die (zumindest nach der Erfahrung des heutigen Tages - wir sind von Pnomh Penh mit einem Minibus der Post bis an nach Sihanoukville am Golf von Thailand im Süden des Landes gefahren) Busse zuverlässig abzufahren und auch im angekündigten Zeitfenster anzukommen. Und es gibt asphaltierte Straßen (den Franzosen sei Dank!). Asien. Viele Menschen. Viel Getümmel. Straßenküchen. Achtlose Müllentsorgung. Lädchen und Büdchen an jeder Ecke und in jedem Haus. Jeder geht emsig seinen Geschäften nach. Wohin zuerst schauen? Unsere Sinne sind wieder gefordert. Neu orientieren. Die 1,5 Tagen, die wir in Pnomh Penh verbracht haben, haben wir mit Schlafen, Einlesen, Recherche und Planung der kommenden Tage in Kambodscha, Fotos sortieren, Wäsche waschen und Stadtspaziergängen verbracht.

 

Unser erster Eindruck der Hauptstadt? Pnomh Penh ist keine schöne oder gar reizvolle Stadt und wir sind froh, hier nicht länger verweilen zu müssen. Falls ihr mal herkommt, dann schaut euch die kleinen buddhistischen Klöster mit den darum liegenden Wohnvierteln an. Die Stupa Wat Penh , die der Hauptstadt ihren Namen gab, ist ebenfalls eine Stippvisite wert (obwohl längst nicht so eindrucksvoll wie die Stupas in Kathmandu - ja wir wissen es: Vergleiche machen nicht glücklich). Am Ufer des Tonle Sap, einem Nebenarm des Mekong, lässt sich ausgelassene Feierabendstimmung beobachten: Jungs spielen Fußball, Frauen tanzen im Gleichtakt, Familien flanieren, Touristen trinken Bier in den Rooftop-Restaurants. In der großen, futuristisch anmutenden Markthalle werden Waren aller Art angepriesen: Juweliere verkaufen teuren Schmuck, ein paar Meter weiter stapelt sich gefälschte, billige Markenkleidung. In der Obst-, Gemüse-, Fleisch- und Fischhalle zappeln Krabben, Fische und Frösche. Unser Versuch, Obst bei den Marktfrauen zu erstehen, scheitert, da wir nicht bereit sind, für eine Mango, den doppelten des üblichen Preises zu zahlen. Wir sind ein wenig enttäuscht, da uns deutlich gezeigt wird, dass man in uns wandelnde Dollarnoten zu sehen scheint und denken an Russland zurück: WIe liebenswürdig dort die Babuschkas auf den Märkten waren! Hätte uns jemand vor unserer Reise gesagt, dass wir Russland mal vermissen und sehr zu schätzen wüssten, wir hätten wahrscheinlich nur "jaja" gedacht.

Auch mit dem kabodschanischen Essen haben wir so unsere Startschwierigkeiten: Fast alle lokalen Gerichte werden mit viel Fleisch und Fisch zubereitet. In den kleinen Gar- und Straßenküchen gibt es kaum Alternativen für Vegetarier. Die Angebote in den westlich orientierten Restaurants und Bars erscheinen uns (verdorben von den nepalesischen und indischen Preisen) unverhältnismäßig hoch: Für ein Nudelgericht a la Spaghetti Bolognese oder eine Pizza verlangt man etwa 5 Euro. Da wir gerne die landestypische, vegetarische Kost probieren, sind diese Angebote für uns keine Alternative. Wir grasen Garküche um Garküche ab, heben hier und da die Augenbrauen und lernen mal wieder dazu: Fleisch und Meeresgetier in allen Formen und Arten kommt - vorzugsweise aus Spießen gegrillt - in die Schüsseln. Wir wäre es mit einem Frosch zum Nachtisch? Nein danke! Auf dem Nachtmarkt werden wir schließlich fündig: Im Wok gebratene Nudeln mit Gemüse und ein Papaya-Salat sollen unser Abendessen werden. Wir nehmen Platz auf dem mit bunten Bastmatten ausgelegten Platz, um den die Essensstände aufgebaut sind und Frauen und Männer im Akkord brutzeln und braten. Vom Ambiente her ist das Spektakel, welches einem großen Gruppenpicknick anmutet, ein Erlebnis - kulinarisch ist es ok. Die Nudeln sind zu ölig, der Papayasalat mit Fischsoße gewürzt. Trotzdem sind wir zufrieden und gönnen uns zum Nachtisch noch eine geeiste Kokosnuss mit Speiseeis. Yammie! Wir werden berichten, wie die Versorgung in Kambodscha weitergeht.

Doch - auch das ist ein Gesicht des Asiens, welches wir in den letzten Monaten kennen lernen durften - für jedes noch so große oder kleine Problem gibt es auf Nach- und Durchfragen eine nach asiatischer Manier einfache Lösung: Unser Sicherheitsschloss an der Reisetasche lässt sich nicht mehr öffnen (gerade das Schloss, welches wir wegen seines starken Metallbügels mit Vorliebe für die große Tasche nutzen). Wie bekommen wir das Ding ab, ohne den Reisverschluss zu beschädigen? Umständlich wie die Deutschen manchmal sind, denken wir - eine Metallsäge muss her. Wo kaufen? Wir halten die Augen offen, werden im Stadtzentrum aber nicht fündig. Spät Abends sehen wir bei einem Künstler eine Box voll Werkzeug. Vielleicht kann er uns ja helfen. Der Künstler ist des Englischen mächtig und beauftragt seinen Kumpanen, uns zur Seite zu stehen. Mit zwei Eisensägen und einer kleinen Flex nehmen wir den etwas mürrisch und skeptisch dreinschauenden Kambodschaner ins Schlepptau. Mit seiner Ausrüstung wird er das Schloss sicher knacken. Kaum hat er die Tasche gesehen, schwindet sein mürrischer Ausdruck - er erkennt das Problem, untersucht das Schloss, macht eine Steckdose ausfindig und lässt die Funken fliegen. Er ist ein Profi seines Werkes: Wenig später ist das Schloss ab. Zwar spricht der kleine Mann kein Englisch, doch die 5-Dollar-Note, die wir ihm zustecken zaubert ein breites Lächeln in sein Gesicht. Er zieht glücklich von dannen und auch wir sind happy, den Inhalt unseres Gepäckstücks wieder zugänglich zu haben und nutzen und später sortieren zu können.

Heute ist der 06. Februar - unser dritter Tag in Kambodscha und unser 186. Tag auf Reise. Nach einem halben Jahr in der Welt sind wir dort angekommen, wo wir uns (zumindest was unsere Sehnsüchte angeht), am wenigsten gesehen haben: Am Golf von Thailand in der Buch von Kompong Som in Sihanoukville. Wir erkunden mit einem kleinen schwarzen Roller die Strände südlich der Stadt, planschen im türkisen Wasser, ärgern uns über den herumliegenden Müll und die zwielichtigen Polizisten (die uns - gerade haben wir mit dem Roller die ersten Meter zurückgelegt - aus dem Verkehr ziehen und unsere Dinge, die wir dabei haben, nach Drogen durchsuchen), schlürfen eine frische Kokosnuss. Morgen fahren wir raus zu den Inseln Koh Rong Sanloem und Koh Rong. Und am kommenden Sonntag, den 11. Februar, setzen wir uns in den Nachtbus, der uns nach Siem Reap zu den weltbekannten Ruinen von Angkor Wat bringen wird. Wir wandeln auf ausgetretenen Backpacker-Pfaden. Wir freuen uns auf Inselidylle und ein paar Tage Ruhe. Reisen und unterwegs sein macht glücklich. Auf Dauer aber auch müde. Ja - wir sind ein wenig reisemüde und wollen endlich die liegengebliebenen Bloggeschichten für euch und uns aufschreiben - das, was uns das Jahr 2018 bereits geschenkt hat. Ihr seht, der Plan für Kambodscha steht. Ebenso  für die Zeit danach: Dirk, David, Dani und Erik aus Köln kommen uns am 17. Februar besuchen: Drei Wochen Familien- und Freundesurlaub auf der malaysischen Halbinsel liegen gemeinsam vor uns. Vier Wochen später - am 18. März werden wir in Singapur in den Flieger gen Europa steigen. Europa? Ja - ihr habt richtig gelesen. Wir haben Sehnsucht nach der Heimat. Im europäischen Frühling wollen wir mit Zelt und Packtaschen von Athen aus nach Hause radeln. Kilometer um Kilometer dem Gewohnten entgegen ...

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Kommentare: 1
  • #1

    Pap´s (Dienstag, 20 Februar 2018 13:55)

    Wer möchte sich bei den letzten 3 Fotos nicht auch sein Dominizil dort für eine Zeit lang einrichten. Durch die Blogeinträge lernt man Weltzipfel kennen, von denen man zuvor nicht wußte, wo sie überhaupt sind, respektive wie der Lebensstil aussehen kann. Sihanoukville? Never ever hearing! ..und schon "reist" man mit "Google-Line" auf Webseiten, die man sonst nie aufgerufen hätte. Sehr schöner Blogeintrag wieder mal !