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Hampi - Kultur pur gewürzt mit indischen Chaos

Etwas wehmütig verlassen wir die Strände und die schönen Sonnenuntergänge in Goa. Die nächsten Tage versprechen wieder "kultureller" zu werden. Leider beginnen sie für uns chaotisch. Es gab im Vorfeld nur noch Zugtickets in einer niedrigeren Klasse (Sleeper) und wir buchten, pfiffig wie wir dachten, gleich 3 Plätze, um Platz für uns und unser Gepäck zu haben. Wir steigen ein, sind erwartungsfroh und : Alle Plätze sind belegt. Stellt euch ein offenes Abteil für 6 Personen vor, 3 auf jeder Bank gegenübersitzend. Dort sitzen nun bereits 8 Personen. Und wir haben 3 Plätze gebucht. Na Herzlichen Glückwunsch. Nach Diskussionen mit den Indern und mit dem Zugschaffner gibt es war die Möglichkeit, zwei Sitzplätze zu erhalten, aber eine Art "Anspruch" auf zwei Liegen wie gebucht haben wir nicht wirklich. Wir entscheiden, "nach oben" auf die obersten Stockbetten zu ziehen - der Schaffner verkauft unsere Plätze unten einfach weiter. Alles bedeutet,  dass wir 8h lang keine Aussicht auf die Landschaft haben, aber wenigstens unsere Ruhe (insbesondere für Anja, weil unten nur eine weitere Frau sitzt, ansonsten nur Männer) und etwas Platz. Wir sind froh, das diese Zugfahrt eine Ausnahme bei unseren sonst guten Erfahrungen bleiben wird.

Angekommen in Hospet das übliche, schon eingeprobte Spiel. Ausgestiegen aus dem Zug, umringt von "good price" Rikschafahrern. Leider sind wir diesmal nicht gut vorbereitet, da wir nicht exakt wissen, wie der Ort Hampi geographisch aussieht. Die Verhandlungen dauern lange an, wir schaffen aber am Ende durch stur bleiben den "richtigen" Preis zu verhandeln.

 

Hampi ist ein touristisch zweigeteiler Ort. Im Süden des Flusses Thungbhadra liegen die von der UNESCO als Welterbe deklarierten großartigen Tempelanlagen. In derem Umfeld gab es bis vor einigen Jahren auch vereinzelt Unterkünfte. Diese wurden jedoch nach und nach mit Bulldozern platt gemacht oder verboten, da sie zu nah an den Ruinen seien. Eine Entscheidung, die wir als Reisende nicht zu beurteilen vermögen, da wir die Hintergründe nicht genau kennen. Wir buchten daher bewusst im Vorfeld für 4 Tage weit außerhalb ein ruhiges, ländliches Hostel. Dieses liegt, wie nun alle anderen Unterkünfte, die es in Hampi gibt, auf der nördlichen Seite des Flusses und ist, wie praktisch, mit einer Fähre verbunden. Diese Fähre wird uns emotional noch länger beschäftigen. Bei unseren ersten Fährfahrt (1min Überfahrt) hatten wir natürlich unsere Rucksäcke dabei. Die Fährjungs verlangten von  uns deswegen den doppelten Preis. Da es uns bei solchen Dingen nie um den Preis, sondern eher ums Prinzip geht, verneinten wir dies. Auf dem Boot diskutierte Manu lange mit dem nicht einsichtigen Fährjungen - sie weigerten sich sogar, das volle Boot anlegen zu lassen, wenn wir nicht bezahlten. Pure Erpressung von Touristen. Mit einigen Verwünschungen unsererseits verließen wir zahlend den "Fähranleger". Da unsere Unterkunft außerhalb lag, war ein Scooter notwendig. Hier dasselbe Spiel. Unfreundliche, unverschämte Roller-Verleiher - aber wir waren drauf angewiesen. Wir mieteten einen absolut schrottreifen, alten Roller für überteuertes Geld und rollerten langsam Richtung Unterkunft. Wir haben den 31.12 und möchten nur noch einen schönen Jahresabschluss verbringen. Angekommen die nächste, noch größere Enttäuschung. Zum zweiten Mal auf unserer Reise weigern wir uns, in einer gebuchten Unterkunft zu übernachten. Die Umstände hier zu beschreiben, macht beim Schreiben wieder wütend, aber es war zusammengefasst eine düstere Buschhütte in Mitten von Müll. Der Besitzer bot nach erneut viel Diskussion an, dass wir bei ihm zu Hause übernachten könnten in einem privaten Raum. Wir dachten "schlimmer als das kann es nicht werden". Somit befanden wir uns kurz darauf in einer Küche wieder, die nicht mehr genutzt wird, zwei Matratzen auf dem Boden gelegt. Sei es drum. Wir rollerten zurück in den Ort, erfragten Alternativen für die nächsten Tage und akzeptierten diese "Unterkunft" für eine Nacht. Silvester hätten wir fast verpasst, da wir vom ganzen Reisetrubel bereits "vorschliefen". Wir verbrachten den Jahreswechsel mit Vollmond auf einem kleinen, ruhigen Hügel mit Blick auf die Landschaft. Wir denken dabei an letztes Jahr zurück, wo wir in unserem "Schwalbennest" Pläne für diese Reise schmiedeten. Indien war damals noch gar nicht in unseren Köpfen, daher umso schöner, nun hier zu sein und dies alles zu erleben. Und Hampi wird bestimmt noch schön und angenehm, wir haben schon andere Schwierigkeiten zusammen gemeistert.

Am kommenden Morgen kehren wir zur Buschhütte zurück, der Besitzer beharrt für die Nacht in der Küche auf unverschämte 40€. Nach 10min sparen wir uns die Diskussion und die Energie, er wird von uns via booking.com unsere Meinung erhalten. Es ist so schade, dass viele Inder eine solche "kurzfristig denkende" Mentalität haben. Wir erwarten keine touristisch ausgebildeten Gastgeber, aber ihm nützt es nun herzlich wenig, uns für die eine Nacht den mehr als dreifachen Preis als üblich abzuknöpfen um sich daraufhin eine miese Bewertung einzusammeln. Es ist hier eher die Einstellung, über die wir uns viel miteinander austauschen als am Ende darüber, übers Ohr gehauen zu werden. Wie kann sich Indiens Tourismus so je weiterentwickeln ?

Wir siedeln um in ein "vernünftiges" Bambushütten-Resort, was nun, nach Neujahr wie alle Unterkünfte wieder viele freie Kapazitäten hat, da die Inder abreisten. Wir tauschen noch den schrottreifen Roller gegen ein neues Modell (gegen Aufpreis natürlich) um und beginnen damit , die Landschaft zu erkunden. Wir waren beide noch nie in einer solchen Landschaftsform unterwegs - überall gibt es Hügel, Felsen und Steinblöcke gigantischen Ausmaß. VIele Kletterer und Boulderer kommen hier her, um sich auszutoben.

Mit dem Roller erkunden wir das benachbarte Anegundi. Ein staubiger Ort, der uns jedoch positiv überrascht. WIr folgen einer  großen Gruppe von Männern und Frauen in Richtung einer Tempelanlage. Diese entpuppt sich als ein heiliger Schrein unter großen Felsblöcken. Die Gruppe sind 300 Touristen aus dem weit entfernten Rajasthan, die sich hierher auf den Weg gemacht haben. Alle sind freundlich und nett und nach vielen Fotos mit uns verabschieden wir uns lachend. Indien zeigt sich erneut wieder von seiner so herzlichen, angenehmen Seite.

Wir cruisen entspannt weiter durch die Landschaft und sind entzückt von der Komposition aus Granitfelsen, Reisplantagen, kleinen Dörfern und ruhigen Nebenstraßen. 

An einem Stauseedamm fährt ein Auto mit offenen Scheiben an uns vorbei und wirft eine leere Kekspackung aus dem Fenster. Nicht so mit uns. Ja, es klingt vielleicht übertrieben, aber Manu schnappt sich die Packung, wir "verfolgen" das Auto, fahren direkt neben ihm und werfen dem Fahrer seine Packung mit den Worten "Respect Nature - take your trash" wieder zurück ins Seitenfenster. Verdutzte Gesichter schauen uns an, während wir abbrausen.  Wir sind glücklich, mal wieder jemanden zum Nachdenken über sein Handeln gebracht zu haben.


Das touristische Nordufer Hampis ist am Abend rasch erkundet und nicht weiter erwähnenswert. Es gibt die üblichen gastronomischen Angebote, die selbstverständlich stets  gleichzeitig "spezialised" in "Indian, Chinese, Western, Continental, Asian" Food sind. Highlight sind die "German Bakery" und ein ruhiges Restaurant mit Sitzkissen und pfiffigen Essen. Es gibt sogar regelmäßige "Movie Nights"  und wir ertappen uns beim Film "Into the Wild" dabei, wie schön es doch ist, einfach mal wieder einen Film zu schauen.

Nun fährt man nicht nach Hampi, um Falafel zu essen und Filme zu schauen. Die erwähnten Tempelanlagen am Südufer des Flusses locken jährlich viele Touristen an. Im 14. Jahrhundert wurde von hier aus ganz Südindien kontrolliert, zur Blütezeit hatte die Stadt 500.000  Einwohner., damals so groß wie Rom. 100 Jahre später kam es zu einer Schlacht und eine Allianz von Sultanen aus dem indischen Norden zerstörte Hampi quasi vollständig - alle Holzhäuser, darunter 45 Hindu-Tempel wurden zerstört. Übrig blieben nur die Tempel aus hartem Granit-Gestein. Der Ort liegt damals wie heute etwas abgeschieden, nach Norden hin durch natürliche Felsen  strategisch abgeschirmt, mit Wasser gesegnet, die Landschaft mystisch. Die Hindus glauben, dass Teile der bekannten "Ramayana-Epos", vergleichbar mit der griechischen Odysee, sich hier abgespielt haben - somit wurde Hampi zur heiligen Städte. Heute leben in Dorf nur noch 2100 Einwohner, umringt von den weitläufigen Tempelanlagen.

Los gehts für uns, dies alles zu erkunden - also wieder über den Fluss. Diesmal gibts kein Wechselgeld von den Fährjungs, nachdem wir protestierten gab es das ganze Geld zurück und wir fuhren gratis. Verstehe einer die Inder. Die Tempelanlagen zu Fuß zu erkunden ist illusorisch - auf 36km² verteilt möchten wir dies per Rad erkunden. Und haben Glück. Hanuman, ein älterer und akkreditierter Hampi- Guide bietet uns seine Dienste an - wir können die Tour auch mit dem Rad machen. Sein Englisch ist wirklich gut und er scheint wirklich Ahnung von der Geschichte der Anlagen zu haben. Nachdem wir beim "Radhändler" zig schrottreife Fahrräder austesteten, Manu noch einen Sattel tauschen ließ und mit dem Mechaniker diskutierte (ja, wir sind langsam anstrengend für die Inder geworden - warum akzeptieren wir nicht einfach ihr oftmals minderwertiges Leihangebot? :) rollern wir dann doch ganz happy mit ganz guten Rädern dem Guide hinterher. Er fährt mit dem Motorrad und auch ansonsten gibts nur ein Mädel aus Indien, die auch mit dem Rad fährt. Der Rest der kleinen Tourgruppe, die sich nach und nach zusammenfindet, fährt mit eigenem Auto oder wird gefahren. Wir sind jedoch nicht neidisch, im Gegenteil. Das Gelände ist zwar hügelig, aber mit den Rädern gut zu erkunden.

An jeder wichtigen Tempelanlage machen wir Halt und lauschen den Erzählungen unseres Guides. Die hinduistischen Tempel sind alle mit einer besonderen Bedeutung versehen und reich verziert mit alten Schriftzeichen, Tiersymboliken und religiösen Zeichen und Symbolen.  Interessant ist, sobald ein Tempel auch nur teilweise zerstört ist, also bspw. vom Ganesha-Elefantengott der Stoßzahn fehlt, wird der Tempel sofort "unheilig". Es wird nichts repariert, da es nicht nur hinduistischen Kult passt. Krishna, Vishnu, Shiva, Hanuman - mit unserem Hanuman lernen wir, die bunte hinduistische Götterwelt ansatzweise zu strukturieren und zu verstehen. Als er uns an einer Säule jedoch die 10 Inkarnationen Vishnus zeigt, können wir ihm zwar noch lauschen, aber nicht mehr wirklich folgen. Die Hitze und die vielen Geschichten entfalten leider langsam ihre Wirkung - wir werden ziemlich müde und sind froh, dass die Tour sich dem Ende neigt, nicht, um noch mit einem Highlight aufzuwarten - unser Guide empfiehlt uns ein Restaurant und wir schlemmen uns durch das vegetarische Thali und ein Cashew-Gemüse-Curry, was wirklich vorzüglich ist.

 

Den Tag lassen wir in aller Zufriedenheit mit dem Erlebten und nach der Segnung durch einen jungen Inder, der dort dein kleinen Tempel betreut, auf einem hohen Berg über den Tempelanlagen ausklingen - die Aussicht ist wirklich fantastisch und die Stimmung unter allen "Sonnenuntergangs-Pilgerern" entspannt und nett.

Wir geben glücklich nach diesem gelungenen "Tempeltag für Kulturbanausen" unsere Räder ab und gehen zu unseren "Freunden", den Fährjungs. Pustekuchen. Nada. Der Fährbetrieb wurde vor kurzem nach Sonnenuntergang eingestellt. Einfach so. Man kann quasi aufs andere Ufer spucken, aber den Fluss nicht queren. Aber die Menschen in Hampi sind ja wirklich hilfsbereit, wenn es darum geht, den vielen vielen Touristen, die nun auf der "falschen Seite" des Flusses sind, beizustehen. Es schlägt die Stunde der Rikscha-Connection. Die nächste Brücke über den Fluss ist ewig entfernt, so dass die Rikscha-Fahrt 35km (also 1h) dauern wird. Es wird gefeilscht, diskutiert, gestritten, alle sind in Aufregung, wir mittendrin. "Betroffenen-Allianzen" werden geschlossen und sich darauf geeinigt, zum Bus-Terminal zu laufen. Die ersten Rikscha-Fahrer senken mit jedem Meter ihren Preis, wohl wissend, dass am Ziel viele ihrer Konkurrenten warten. Vermutlich spielt sich dieses Spiel nun jeden Abend mit Touristen ab. Wir einigen uns untereinander darauf, die Rikschas wirklich nur voll abfahren zu lassen, d.h. zu fünft sitzen wir in einer Rikscha. Vor der Abfahrt wollen andere Rikschafahrer unseren Fahrer davon abbringen, fünf Touristen zu befördern, das sei illegal und verboten und sowieso....wenn wir Hampi zu Beginn unserer Indien-Reise bereist hätten, wären wir hier vermutlich halb verzweifelt - so bleiben wir standhaft, verringern die Abzocke-Methoden und tuckern müde durch die schlaglochübersähte, dunkle Landstraße. Ein wenig tröstet uns, dass mit uns noch drei indische Studenten aus Bombai und Bangalore Mitfahrer der Rikscha sind. Sie erzählen uns, dass nicht nur westliche Reisende mit diesen Widrigkeiten des indischen "Systems" bedacht werden. Reisen Inder in andere Provinzen, deren Sprache sie nicht mächtig sind, werden sie wie Ausländer behandelt und müssen für die Dienstleitungen oftmals ordentlich draufbezahlen. Wir sind verwundert, als wir dies hören. Inder sind also nicht nur Meister darin, "Weiße" schlitzohrig zu überpreisen, sondern auch ihre Landsleute. An diesem Abend werden wir uns mal wieder bewusst, dass die deutsche Ordnung vielleicht doch gar nicht so übel ist. Nervenschonend auf jeden Fall.

Insgesamt mochten wir den Jahreswechsel in Hampi, allerdings merkt ihr an diesem kleinen Einblick, dass Indien auch wie erwartet, durch Kleinigkeiten sehr anstrengend sein kann. Es warten noch Varanasi am Ganges und Agra, die Stadt des Taj Mahal auf uns - beides auch keine touristisch unbeschriebenen Blätter - wir sind gespannt, welche Geschichten wir dort erleben.

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