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Agra - Das berühmteste Grabmal der Welt und Geburtstagsgedanken

Dialog zwischen "Security-Polizist" und uns:
"Sir it is not allowed to go here" - "Why?" - "Tourists are not allowed" - "Why, it is a road!" - "You have to go trough this gate and pay" - "No, we don´t. This is a normal road, so tell us why!" - "It is not secure there - dangerous people, I will have problems" - "It´s okay for us, we go" - "No, don´t go!" - "Okay, byebye". So spielt es sich ab, wenn man sich im Umfeld Indiens berühmtester Sehenswürdigkeit, abseits der festen Pfade bewegt. Warum es sich lohnt, hartnäckig den Aussagen des halb-offiziellen Polizisten zu widerstehen - dazu später mehr.

Agra. Niemand, der sich nicht wirklich mit Indien beschäftigt, kennt diesen Ort. Aber jeder kennt seine Hauptattraktion, das fabelhafte Taj Mahal. Vor 10 Jahren war Manu ja bereits mal hier, weil damals die Studiums-Exkursion hier nicht hin führte, er aber Indien nicht verlassen wollte, ohne dort gewesen zu sein. Bissi so wie in Paris zu sein, ohne den Eiffelturm zu erblicken. Seine Erinnerungen daran sind noch recht lebhaft - Agra war damals die mit Abstand dreckigste Stadt Indiens, überall roch es unangenehm, es war heiß, voll und er schleppte sich von Durchfall geplagt durchs Agra Fort. Und auch diesmal stand Agra zunächst unter keinem guten Stern.

Erstmals auf unserer Reise hatten wir ernsthafte Zugprobleme bei der Anreise. Genauer :

Der lang vorher gebuchte Nachtzug, der gleichzeitig mit 12h Zugfahrt unser längster sein sollte, fiel einfach aus. Wir steckten in Varanasi fest, 600 km entfernt von Agra. Ein anderer Zug fuhr nicht. Na Glückwunsch. Die Alternative hieß nur "Nachtbus", von dem wir bereits soviel schlimme Dinge gehört haben. Wir liefen durch den chaotischen  Verkehr, fertig mit den Nerven zum Busterminal. Unmotivierte, schlechte gelaunte Mitarbeiter eines Bus-"Unternehmens" boten uns Tickets an, für absolut astronomische 30 Euro. Die Diskussion raubte weiter Energie, das Desinteresse auf der anderen Seite machte uns zornig und wir wünschten Ihnen zum Schluss "bad karma", vielleicht die schlimmste Verwünschung, die man einem Hindu sagen kann (unserer Meinung  nach). Auf dem Rückweg zum Bahnhof wurden wir freundlich angesprochen - ein Nachtbus, sehr guter Komfort für die Hälfte des Preises. Wir blieben skeptisch. Fotos aus dem Inneren des Busses gab es nicht, Alternativen gab es aber leider auch nicht wirklich. Also los. Und wir wurden zunächst wirklich positiv überrascht. Wir buchten wieder drei Betten wg. dem Gepäck, was aber nicht notwendig gewesen wäre, da es wirklich große, waargerechte Kojen waren, 180x 60cm, eine davon als Doppelkoje. Es ging halbwegs pünktlich los und wir sahen uns bereits entspannt ankommen - es wurden "12h Stunden" angesagt. Um es kurz zu halten : Die Fahrt wurde mit die Schlimmste der gesamten Reise und dauerte 19 Stunden.  Erst gab es Stau, dann Baustellen, dann Nebel und zwischendurch mehrere Stops. Alle Passagiere, egal ob Inder oder Touristen waren nur noch sauer auf die Buscrew, die zwischendurch  noch einen kleinen Umweg fuhr, um Fernseher einzuladen, um vermutlich mit dem Transport sich noch ein paar Rupees dazu zu verdienen. Mehrfach dachten wir daran, einfach irgendwo auszusteigen, um uns irgendwie durchzuschlagen, aber die naßkalte, neblige Außenwelt und die Tatsache, dass keine Alternative uns rascher ans Ziel bringen würde, ließen uns in diesem Bus ausharren.

Wir waren hungrig, müde und fühlten  uns elendig, als wir mittags endlich in Agra ankamen. Ein Rikschafahrer fuhr uns direkt ins Hostel und bot uns für wenig Rupees an, Nachmittags noch eine Rundfahrt zu allen Sehenswürdigkeiten zu machen. Normalerweise haben wir dies stets verneint, aber diesmal passte die Kombination aus Sympathie, Preis, der verschenkte drei Viertel Tag im Bus und die Tatsache, dass wir nicht jedes Mal erneut Verhandlungs-Energie für Einzelfahrten aufbringen mussten. Die Stadt wirkt auf den ersten Blick wie ausgewechselt, der Verkehr fließt, die Straßen und Gassen sind sauber. Das günstige Hotel entpuppt sich als untypisch gut strukturiert, sauber und unsere Energie kehrt nach einer heißen Dusche zurück. Also los, Agra, zeig Manu, was er damals verpasst hat.

Es gibt 4 Stationen auf der Tour - Agra Fort, Mughal Char Bagh (auch "Baby Taj Mahal" genannt) , Sunset Point und Market. Wir sparen uns nach den vielen Fort-Erlebnissen in Rajasthan die aufwendige Besichtigung des Agra Forts und belassen es bei einem Außenblick. Wir gönnen uns den Eintritt jedoch beim "Baby Taj Mahal", eine kleine Tempelanlage auf der andere Seite des Flusses. Die Gartenanlage ist symmetrisch um das Monument soll das Paradies darstellen. Wir erinnern uns an unser erstes Mausoleum in Delhi vor gut einem Monat und erkennen sogar leichte Parallelen - wow, wie kulturell gebildet wir uns vorkommen :)

Höhepunkt des Tages war dann der Sonnenuntergangspunkt, wo sich der Dialog mit dem Pseudo-Polizisten von oben abspielte. Der Ort befindet sich nördlich des Flusses und bietet eine grandiose Aussicht auf das Taj Mahal am Südufer. Normalerweise sollen alle Touristen eine Gartenalage für 3 € Eintritt betreten, sich dort in Reih und Glied aufstellen und als Masse den Sonnenuntergang betrachten. Unsere schlaue "maps.me"-App verriet uns jedoch, dass die kleine, 300m lange Straße direkt neben der Anlage zu einem "free-view"-Punkt führt. Nach der dargestellten Diskussion und ein Beharren auf unserem Standpunkt liefen wir vor zum Fluss. Und waren quasi alleine, direkt vorm Taj Mahal-Flussufer. Wow. Ein freundlicher, unauffälliger Inder beobachtete uns, wir verbrachten fast 1h hier, um der untergehenden Sonne zuzuschauen. Frauen schnitten im Flussufer dünne Äste, Gras und Reißig ab, die Stimmung war wirklich unkompliziert und angenehm. In der Entfernung sahen wir die Gartenanlage mit allen anderen Touristen. Auf dem Rückweg konnte sich Manu nicht verkneifen, dem Polizisten ein "No dangerous people there - you don´t have to worry" zu zurufen.

Da wir in Goa auf den Geschmack von "Jeera-Rice" gekommen waren, baten wir den Rikscha-Fahrer, uns zu einem Markt zu fahren, wo es Jeera-Rice gibt. Nachdem wir 3x verneinten, dass wir keine  Marmor-Werkstätten sehen wollen, fuhr er uns in einen befreundeten Marmor-Souvenier-Gewürze-Laden. Unsere Bitte, "nur Jeera" haben zu wollen, wurde nicht verstanden und der Ladeninhaber war sichtlich enttäuscht von unserem Rikschafahrer, das sich kein Geschäft entwickelt hat. Unser tolles Hotel half uns dann und besorgte uns "Jeera"-Gewürz vom Markt. Wir schliefen todmüde ein, um für das Highlight am kommenden Tag fit zu sein.


Es gibt diverse Ratschläge und Strategien, wie Besucher das Taj Mahal zu der "besten" Uhrzeit besuchen können. Da wir den Nebel aus Varanasi bereits kannten, entschieden wir uns gegen "Sonnenaufgangs-Pilgern" und schlenderten gemütlich gegen 9:00 Uhr zum Osteingang. Erstaunlicherweise gab es keinerlei Schlange, wir bekamen zum Ticket Schuhüberzieher und eine Flasche Wasser und passierten die Sicherheitsvorkehrungen. Noch einmal rechts abbiegen durch das große rote Tor und schwupps - stehen wir dort, wo jeder von euch genau von unzähligen Fotos weiß, wo es ist - zentral vorm Taj Mahal. Und ja, es lohnt sich, vermutlich genauso wie einmal im Leben auf den Eiffelturm zu steigen. Vom Kreml in Moskau durch die Ebenen der Mongolei,  über die Verbotene Stadt in Peking und die Chinesische Mauer hin zu den Bergen des Himalayas. Und nun das Taj Mahal. Wieviele Eindrücke haben wir in den letzten Monaten gehabt, wieviel Energie haben uns diese 5 Wochen in Indien gekostet. An solchen Plätzen merken wir, wie priviligiert wir sind, diese Reise machen zu dürfen.

Wir ersparen euch an dieser Stelle einen geschichtlichen Abriss des Taj Mahals und seiner tragischen Liebesgeschichte oder Tipps zur Besichtigung.  Spannend fanden wir, dass die Türme des Taj Mahals von seinen Erbauern damals (ca. 1630) leicht nach außen hin errichtet wurden - im Falle eines Erdbebens würden sie somit nicht auf das zentrale Mausoleum fallen - ganz schön clever. Die Baumaterialien wurden von 1.000 Elefanten aus ganz Indien herangeschafft. Wir genießen den Aufenthalt in der sauberen, großen Anlage. Einfach herumschlendern, es aus allen Perspektiven betrachten und auch mal für eine längere Zeit auf einer Parkbank sitzen, um allles sacken zu lassen.

Leider hat es Anja irgendwo den Magen verdorben, aber Kohletabletten, Bananen, Wasser und Kekse bringen sie durch den Tag - sie hält sehr wacker durch, auch als unser Zug nach Delhi mit dreistündiger Verspätung endlich eintrudelt. Unsere letzte Zugfahrt in Indien ist recht ereignislos und wir freuen uns, müde in "unser" Hotel in Delhi anzukommen. Unser Gepäck, welches wir am Anfang dort einlagerten wurde uns unbehelligt überreicht, ein Brief von Manus Mama mit seinem deutschen Führerschein und Geburtstagswünschen kam auch rechtzeitig an. Wir gönnten uns beide das erste Mal in unserem Leben den Luxus eines "Zimmerservice-Essens", da wir zu kaputt, müde und krank waren, um noch ins Restaurant zu gehen. Es galt, noch bis 0:00 Uhr aufzubleiben, bevor Anja Kerzen anzündete und "Happy Birthday" sang. Ihren Geburtstag feierten wir in einem kleinen Dorf am Baikalsee, Manus 34. nun hier in der Metropole Delhi. Vor einem Jahr folgte drei Tage später das emotionale Gespräch mit Manus Vorgesetzten und Freundin Karin, dass diese Reise bevorstehe und die Kündigung notwendig sei. Was ist alles in diesem Jahr passiert - Schlimmes und Schönes, aber das schönste Geschenk ist, dass wir dies weiterhin alles zusammen erleben. 

Wir haben mit unserer Route durch Indien sicherlich kein touristisches Neuland erschlossen - dennoch sind wir froh, diesen quirligen Subkontinent besucht zu haben. Indien ist zu jeder Jahreszeit ein Reiseziel wert und ganz im Norden reizen uns für eine nächste Reise die Berge des indischen Himalayas.

 

Aber die Welt ist so groß und nun geht es erstmal weiter in ein Land, von dem wir beide nur gute Dinge gelesen hatten, es aber im ersten Moment bei Freunden und Familie ein Stirnrunzeln verursachte - folgt uns in den Oman.

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