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Geschichten von Freiheit und Einsamkeit - Roadtrip im Oman

Mit Zahnbürsten in den Mündern sitzen wir - nach einem ausgiebigen Frühstück im Sonnenschen - jauchzend und lachend auf einer kleinen bunten Schaukel auf einem kleinen Spielplatz, der am Eingang eines Wadis am Parkplatz auf schotterigem Boden angelegt ist. Wir sitzen nicht bloß, nein wir schaukeln. Hinein in einen neuen Tag voller Erlebnisse - hinein ins Leben.

 

Zelt und Campingsachen sind bereits wieder im Auto verstaut und wir sind fertig, um demnächst abzufahren. Was wird der Tag bringen? Wo werden wir heute Abend unser Häuschen aufbauen? Wir wissen es noch nicht. Und genau das ist es, was wir lieben, wenn wir mit Auto & Zelt (oder mit einem kleinen Bus) unterwegs sind: Die Freiheit zu entscheiden, wo, wann und für wie lange man anhalten möchte. Keine Abfahrzeiten, kein Gedränge. Kein ständiges Aus- und Einpacken. Kein Buchen von Unterkünften und Hoffen, dass die ausgewählte Bleibe den eigenen Anforderungen entspricht. Die Natur ist unser zu Hause: Ein großer kombinierte Wohnküchenraum, wie ihn sich Anja wünscht, mit angeschlossenem Garten ist unsere Spielwiese. Schluchten, Strände, Fischerdörfer und Wüste. Highways und Pisten. Zumeist menschenleer.

Gut 1 1/2 Wochen sind wir nun schon so unterwegs: Aufwachen mit der Sonne und deren Aufgang genießen, Frühstück & Packen, Karten & Reiseführer studieren, Ziele für den Tag auswählen und dann auf zum Erkunden.

Für die eifrigen Karten- und Google-Maps-Nutzer unter euch: Unser erster Abschnitt der Tour führte uns von Muscat über den Highway nach Sur, immer weiter der Küstenlinie folgend bis nach Shannah, dem Fähranleger nach Masirah Island. Von Shannah/Filim fuhren wir landeinwärts und bogen auf dem Muscat - Salalah-Highway ab in Richtung Norden, der uns über Adam (erste Oasensiedlung) bis zu den Füßen des Hajar-Gebirges brachte.

Zwischen Muskat und Sur folgten wir der Küstenautobahn, machten im Wadi Al Arbyeen (noch ohne Guide-Buch und mit zum Teil vor Staunen weit geöffneten Augen) erste Erfahrungen im Offroad-Fahren auf den omanischen Bergpisten, campierten am White Beach bei Fins (zwei Esel waren unsere einzigen Kumpanen unter dem sternenklaren Himmel der Nacht) und durchwanderten den Wadi Shab auf der Suche nach Abkühlung in den Felsenpools.

Erstmalig begaben wir uns zu Fuß auf den Weg, eine solche Schlucht, die ganzjährig Wasser führt, einer Oase gleicht und in der Dattelpalmen angebaut werden, zu erkunden. Der Eingang zum Wadi wird vom grauen Koloss Küstenautobahn überragt. Mit einem kleinen Motorboot setzen wir auf die andere Seite der Lagune über, wo die Tour beginnt. Durch einen kleinen Dattelpalmenhain führt der Pfad an kleinen Feldern vorbei, die für Obst- und Gemüseanbau angelegt wurden und genutzt werden. Wasserschläuche vernetzen die kleinen Gärten. Noch liegt das Tal im Schatten und wir genießen die Kühle des Morgens. Schnell verengt es sich. Auf einem in den Fels geschlagenen Weg laufen wir oberhalb eines zur Trinkwasserentnahme genutzten Wasserloches entlang. Steil ragen die Felswände rechts und links. Wir durchqueren den Talboden und winden uns später am Hang höher hinauf, der Weg wird schmaler, steiniger und ausgesetzter. Die Sonne scheint mit voller Wucht auf uns herab und wir freuen uns, als sich das wieder Tal weitet, ein Pfad hinab zum Wasser führt und wir im Schatten der Palmen ausruhen und durchatmen können. Wir lassen uns im klaren, kühlen Wasser treiben, beobachten kleine Fische und Frösche. Zurück durchs Wadi wollen wir uns den steilen und der Sonne ausgesetzten Weg sparen - ist es möglich, durch die Felsenpools zu klettern und zu schwimmen und so zum Wanderweg zurück zu kommen? Ein abenteuerliches Unterfangen! Unsere Erkenntnis: Einen Beutel trocken zu halten (auf dem Kopf balancierend) und nur eine Hand zum Schwimmen zur Verfügung zu haben, ist nahezu unmöglich. Spaß hat es trotzdem gemacht, auch wenn wir auf halber Strecke kapitulieren und über einen Ziegenpfad wieder bergauf steigen mussten.

Als wir am späten Nachmittag am Strand und der weitläufigen Promenade von Sur ankommen, herrscht eine ausgelassene Feierabend-Stimmung. Unzählige Jungs flitzen Fußbällen hinterher, Fischer holen ihre Boote ein, Frauen spazieren in ihren Burkas am Strand. Es wird gelacht und geplauscht. Der Strand ist Treffpunkt und ebenso wie für uns auch für die Einheimischen ein großer Spielplatz. Ins goldene Licht der Abendsonne getaucht, rollen wir langsam auf der Uferstraße vorbei, queren die kleine Hängebrücke nach Ayja (die einzige Hängebrücke im Oman) und machen uns auf die Suche nach einem geeigneten Stellplatz für unser Zelt.

Am kommenden Morgen erkunden wir mehr von Sur und seiner langen Seefahrertradition: Im Fischereihafen schaukeln die Dhaus, die bis heute in den Werften in Handarbeit gefertigt werden. Mit den Holzbooten wurden bis ins 19. Jahrhundert Handelsfahrten bis nach Indien und Afrika unternommen und auch der alte Sindbad war mit einer Dhau aus Sur unterwegs. Die Dhaus werden heute noch von den Fischern zum Angeln und Hochseefischen genutzt, ein resturiertes Relikt steht zum Besichtigen auf dem Trockenen. Die Dhau-Werften sind frei zugänglich für neugierige Besucher - hier erfreuen sich die werkelnden Männer an der Neugier der "jungen Leute" und winken uns sogar eine Leiter hinauf, um dem Geschehen ganz nah zu sein. Wir lesen im Reiseführer, dass das Wissen zum Bootsbau nirgends festgeschrieben wird, sondern, dass das Wissen von Generation zu Generation weitergegeben wird. Auf dem Fischmarkt werden wir Zeugen einer hitzigen Aktion - wie immer ist Einkauf, Handel und Markt Männersache. Wer hat den frischesten Fisch? Ein ganzer Berg frisches Meeresgetier liegt auf den nackten Fliesen und wartet darauf, erst an den "richtigen" Händler und dann unters Volk gebracht zu werden. Wir verstehen die Männer nicht, erahnen an den Mimiken, Gestiken und der Lautstärke ihrer Stimmen jedoch, dass hier geschäftstüchtig ehrenwerter Handel betrieben wird. Nach einem ausgedehnten Frühstück am Strand, genießen wir noch den 360-Grad-Blick vom erhaltenen Turm der kleinen Festung in Ayja. Was für ein Farbenspiel!

Wir folgen der Küstenlinie Richtung Osten, picknicken am Strand von Ras al Hadd, bewundernd die Steilküste bei Ras al Khabba, essen Eis im kleinen Fischereihafen in Al Ashkhirah und übernachten in den Dünen zwischen Highway und Indischem Ozean. Wir schlagen unser Häuschen im feinen Wüstensand auf, hoffen, dass das Kamel, welches hier kürzlich seine Spuren hinterlassen hat, uns keinen Besuch abstattet und blicken in Richtung des glitzenden Meeresstreifen zum Horizont.

Am kommenden Morgen rollen wir nach Shannah, wo der am Hundert Meter langen Jetty die Fähren nach Masirah Island ablegen. Mit der neuen Autofähre "stechen wir in See" und steuern gemeinsam mit Ausflüglern, Familien, Transportern, PKWs, Pick-Ups und zwei Kamelen an Board der Wüsteninsel entgegen. Auf dem Sonnendeck lassen uns die warme Luft um die Nasen wehen, beobachten wie die Männer - den Blick nach Mekka gerichtet - beten, die Frauen in ihren schwarzen Burkas mit Smartphones ausgelassen fotografieren und sich die Silhouette Masirahs langsam aus dem Dunst löst. Unsere Vorfreude auf Inseltage steigt.

In Hilf angekommen, kaufen wir im kleinen, aber sehr gut sortierten Supermarkt Brot, Gemüse und Obst. Wie lange werden wir bleiben? Zwei Nächte bestimmt. Die Hauptstraße liegt verlassen da - es ist Mittags- und "Siesta"-Zeit. In einem der Imbisse (im Oman Coffee-House genannt) stärken wir uns mit Gemüse-Massala und Paratha (indisches Brot aus Kartoffeln & Mehl). Danach verlassen wir das Städtchen in Richtung Süden - im Uhrzeigersinn wollen wir die 85 km lange und 15 km breite Insel, bei einer Runde über die asphaltierte Ringstraße (mit Abstechern zu Stränden und Buchten) erkunden.

Wenn wir Masirah Island beschreiben sollen, dann fallen uns folgende Schlagworte ein:
  • öd, trocken, grau, steinig, schroff, unwirtlich im Landesinneren
  • paradiesische Küste mit türkisblauem Wasser
  • Fischerboote und Hütten
  • Kamele und Ziegen
  • Schwemmland
  • Strandgut - Muscheln, Müll, tote Fische, Krabben, Holz. Leider auch tote Schildkröten und deren Panzer
  • Sternenhimmel
  • Strandspaziergänge - so viel Strand, so wenig Menschen!
Könnt ihr euch ein Bild von Masirah machen? Nein? Dann lasst euch von den Bildern inspirieren.
Vorsicht: Vielleicht möchtet ihr danach auch auf die Insel. ;-)

Zwei Stichworte aus unseren Notizen haben für uns eine ganz besondere Bedeutung - ja, sie sind verbunden mit Glücksgefühlen: "Frischer Fisch" (man mag es kaum glauben, wo doch weder Manu noch Anja den Lebewesen aus den Gewässern dieser Erde kulinarisch zugetan sind) und "Unsere Bucht".

Frischer Fisch ...

Am ersten Abend auf Masirah bekommen wir drei frische Fische geschenkt. Drei frisch und bereits ausgenommene Fische? Wir nehmen die Zubereitung in Angriff und zum ersten Mal kommt unser kleiner, dreibeiniger Grill zum Einsatz. Die Fische brutzeln über den glühenden Briketts und wir sitzen bei Kerzenschein (als Kerzenhalter dient ganz nach Goa-Tradition eine abgeschnittene Wasserflasche), frischem Fisch und gebratenem Reis unter dem Sternenhimmel an einem weiten leeren Strand.

Unsere Bucht ...

an der Westküste finden wir einen ganz besonders zauberhaften, weißen Sandstrand mit relativ wenig Müll. An diesem idyllischen Fleckchen verbringen wir ganze 24 Stunden. Wir liegen im Schatten des Autos, dösen, trinken Kaffee, planen unsere weiteren Tage. Gehen spazieren, sammeln Treibholz für ein Feuer am Abend, springen ins Wasser, testen unsere neuen Schnorchelbrillen, entdecken Fische und lassen uns von ihnen beobachten. Eine Krabbe am Strand fasziniert - ebenso das Strandgut. Seesterne und Muscheln erzählen Geschichten von den Untiefen des Ozeans. Wir fühlen uns, als wären wir im Paradies gelandet und verlassen "unsere Bucht" mit glücklichen Herzen.

Zurück auf dem Festland schlagen wir unser Zelt noch für eine Nacht an der Lagune in Filim auf. Magroven wachsen in den Meeresarmen, die Luft ist feucht uns salzig. Kurz nach uns lassen sich ein paar Holländer, die ebenfalls mit Zelt und Auto unterwegs sind, in Sichtweite nieder. Als eine Gruppe von neugierigen Kamelen auf der Suche nach Essbaren im Anmarksch ist, sind wir froh, nicht alleine zu sein. Die langbeinigen Vierbeiner schnüffeln an den Mülltonnen und schauen mit großen Augen auf die "Fremden". Wir haben unsere sieben Sachen schnell wieder im Auto verstaut und sind unschlüssig. Werden die anmutigen Wüstenbewohner von dannen ziehen? Oder ausharren, bis etwas "zu holen" ist? Ersteres ist der Fall. Nach 20 Minuten Aufregung und Herzklopfen haben wir unseren Platz wieder für uns und kochen einen großen Topf Couscous-Gemüse.


Gut eine Woche sind wir nun schon in großer Freiheit auf unserem Roadtrip unterwegs und wir haben festgestellt: Ist der Oman beim Blick auf die Landkarte und Weltkugel scheinbar überschaubar groß, so sehen die Dimensionen etwas anders aus, wenn man erst einmal im Land unterwegs ist: Die Nord-Süd-Ausdehnung des Landes beträgt mehr als eintausend Kilometer, vom westlichsten zum östlichsten Punkt sind etwa 500 km zurückzulegen. Der Oman ist mit einer Fläche von 310.000 km² nur etwas kleiner als Deutschland (360.000 km²).

Nachdem wir Masirah Island umrundet hatten, "mussten" wir uns entscheiden: Weiter Richtung Salalah oder zurück gen Norden? Mit Blick auf die Karte haben wir uns für die Berge im Norden entschieden. Auf 1.800 km monotones Highway-Fahren (631 km bis Salalah / über die direkteste Strecke zurück nach Muskat 399 km) hatten wir keine Lust. Der Weg auf dem Highway, welcher die Hauptstadt Muscat mit der zweitgrößten und im südlichsten Zipfel des Landes gelegenen Stadt Salalah verbindet, ist 1.100 km lang und wird von (oft übermüdeten) indischen oder pakistanischen LKW-Fahrern, Sandstürmen und Sandverwehungen geknechtet. Wer sich für die Indlandsroute entscheidet, muss Stunde um Stunde auf gerader Asphaltpiste rollen. Es mag meditativ und episch sein - uns ist lieber nach überschaubaren Etappen, wandern und mehr Zeit in einer Gegend verbringen zu Mute.

Knapp zwei Wochen liegen noch vor uns und wir wollen das Al Hajar Gebirge und die Nordküste noch ausgiebig erkunden und bewandern. Ob es uns am Ende unsere Roadtrips noch einmal zu den Sanddünen zieht? Das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Kommt Zeit, kommt Rat. Erst einmal gibt es mit den Städten Nizwa, Balha, Jabreen und AL Hamra, dem AL-Sayq-Hochplateau, dem Jebel Shams (mit knapp 3.000 m höchster Berg der arabischen Halbinsel), Bergoasen und Wadis, die das Hajar-Gebirge von Süden her durchdringen, so viel zu entdecken, dass wir die kommenden Tage "beschäftigt" sind und in der Bergwelt des Omans bleiben. Unser erster Stellplatz im Wadi Tanuf (eben für unser Zelt auf dem Parkplatz am Eingang des Tals mit Sonnenschein am Morgen und trotzdem herrlicher Aussicht aufs Flussbett, das alte Bewässerungssystem und die steil aufragenden Felswände) ist perfekt. Wir fühlen uns sicher und haben ausgesprochen gut geschlafen.

 

Wer neugierig ist und schon einmal ein paar Bilder vom Hajar-Gebirge sehen möchte - die gibt es hier. Textlich folgen im Mai/Juni ausführliche Geschichte und Informationen zur gesamten Route, die wir im Oman gefahren sind. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Pap (Montag, 02 April 2018 14:45)

    Es muss im warsten Sinne des Wortes "wunderbar" sein, so zu reisen und der Leser fühlt sich "mit genommen", herrliche Eindrücke, hautnah beschrieben!

  • #2

    Anja (Montag, 02 April 2018 21:46)

    Danke für die lieben Worte. Wie schön, dass wir dich ein Stück mitnehmen konnten.