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Annapurna - Eindrücke zwischen Chame und Manang

Eine gute Woche haben wir in der Annapurna-Region verbracht und wir sind froh, dass wir die Chance genutzt haben, noch ein bisschen länger in den Bergen zu verweilen, die grandiosen Panoramen zu genießen und die Mondlandschaft zu durchwandern. Immer im Hinterkopf: Wir können so lange gehen, wie wir wollen - in Manang am Ende des Tales fahren Jeeps, die uns in einem Tag zurück ins Tal nach Besi Sahar bringen. Dass wir noch über den 5416 Meter hohen Thorung-La-Pass gehen werden, ist unwahrscheinlich. Noch immer glücklich, den Larke-Pass bei guten Wetterbedingungen gemeistert zu haben, steht uns der Sinn recht wenig danach, noch einmal solche Strapazen (Aufstieg am sehr frühen Morgen, sehr langer Abstieg mit gut 1600 Höhenmetern hinab nach Muktinath) auf uns zu nehmen. Auch sind die Nasen seit der Passüberquerung ordentlich verschleimt (es gibt wohl kaum einen Trekker, der nicht mit Erkältung, Schnupfen, Husten und Co. zu kämpfen hat) - die Kälte fordert ihren Tribut. Sattdessen lassen wir es gemächlich angehen.

Auf den ersten Kilometern müssen wir der staubigen Piste folgen. Kein Vergnügen, aber ein notwendiges Übel, da es keinen Alternative gibt. Stunde um Stunde geht es auf der Fahrstraße entlang. Jeeps überholen oder brausen uns entgegen. Wir schlucken viel Staub und fragen uns, ob die Piste über kurz oder lang dazu führt, dass der namhafte Annapurna-Circuit, auf dem jährlich gut 20.000 Wanderer unterwegs sind, an Attraktivität verlieren wird. Viel Staub und dann - ein schickes Chalet, das auch gut und gerne irgendwo in den Schweizer Bergen stehen könnte. Hier residiert der Apfelkönig von Brathang. Seine aus Südtirol importierten Bäume tragen große, süß-säuerliche Früchte, die am Chalet zur Freude all der Wanderer verkauft werden. Das erste Mal seit gut zwei Wochen gibt es hier auch eine westliche Toilette mit Spülkasten. Wir fluchen über den weiteren, staubigen Weg, haben zur Mittagspause aber das "Schlimmste" geschafft - ab nun werden wir auf der Alternativroute und abseits der Straße gehen, was wir auch wirklich jedem, der irgendwann mal auf dem Annapurna-Circuit unterwegs sein wird, empfehlen, auch wenn einige Höhenmeter mehr bewältigt werden müssen.

Hinter der mächtigen, konkav geschwungenen Felswand weitet sich das Tal. Wir kommen in Upper Pissang in einer Holz-Lodge auf der Sonnenseite unter und entscheiden, hier einen Ruhetag einzulegen. Lesen, schlafen, nähen, auf der kleinen Dach-Terasse windgeschützt mit Bergblick in der Sonne liegen, ein paar Kleidungsstücke waschen, duschen, zum Kloster spazieren, schreiben und einfach mal einen Tag nicht morgens aufstehen, Rucksäcke packen und nach dem Frühstück losstiefeln. Nach zwei Wanderwochen finden wir diese Vorstellung ganz wunderbar - und werden nicht enttäuscht. Eine Pause tut uns beiden gut.

Ab Upper Pisang wird die Wegstrecke bis nach Manang deutlich attraktiver und aussichtsreicher: Ambitionierte Wanderer könnten die Strecke in gut 8 Stunden Gehzeit bewältigen - wir lassen uns ein wenig mehr Zeit und übernachten zweimal, in Ngawall und in Brakha. In Ngawall gefällt uns eine der neu gebauten Lodges kurz vor dem Dorf einfach besonders gut und das Wetter ist schwer einzuschätzen (Kommt da eventuell Schnee?); in Brakha bleiben wir, um von dort eine Tageswanderung zu machen und das Kloster, welches hoch über dem am Berg klebenden Dorf thront zu besuchen. Was für ein Luxus es doch ist, Zeit zu haben. Wir hören immer wieder Gesprächsfetzen von anderen Wanderern, die ihre straffen Zeitpläne und großen Vorhaben verkünden und die mit Kopfschmerzen, Erkältungen und Unwohlsein zu kämpfen haben. An einem steilen Berg, den es zwischen Upper Pissang und Ngawall zu erklimmen gilt, winden sich die Rucksack-Tragenden westlichen Besucher wie Ameisen empor. Kehre um Kehre - Höhenmeter um Höhenmeter. Wir merken, dass uns das in den letzten Wochen täglich geübte gleichmäßige und verhältnismäßig sehr langsame Gehen ohne große Atemnot gut zum Ziel bringt. Oben angekommen heißt es: Gut einpacken, Kopfbedeckung aufsetzen und vor dem kalten Wind schützen. Bloß keinen Zug an verschwitzten Körperteilen riskieren. Wir schauen sorgenvoll zu den leicht bekleideten Mitstreitern, die in Baumwoll-Shirts und kurzen Hosen verschnaufen und können uns den gut gemeinten Hinweis "Zieht euch was Warmes an", nicht verkneifen. Sie werden es uns vielleicht danken. ;-) Von den wirklich guten Wegen lassen wir uns jeden Tag aufs Neue überraschen: Relativ breite, ebene Pfade führen hoch über dem Tal entlang nach Ngawall und dann weiter nach Brakha. Abgesehen von der Höhe ist es fast ein Spaziergang. Der Blick muss nicht immer und ständig auf den Boden gerichtet werden, um auch ja über keinen Stein zu stolpern oder umzuknicken. Einfach einen Fuß vor den anderen seitzen und die Umgebung genießen.

Auch die Frage "Finden wir immer ein Dach über dem Kopf?" ist schnell beantwortet: Ja. Unzählige Lodges bieten Zimmer für Trekker an und wir wissen ja nun, was uns gut tut. Bestmögliche Aussicht in einem hellen, aber ruhigen Zimmer. Oft werden einem zunächst schlechtere Zimmer angeboten, aber mit etwas Hartnäckigkeit kommen wir stets ans Ziel. In Ngawall wird es quasi schon luxuriös: Für ca. 2,50 € dürfen wir in weißer Bettwäsche schlafen und den Luxus eines eigens an das Zimmer angeschlossenes Bad genießen. Dass es in Letzterem aufgrund der eisigen Nachttemperaturen kein Wasser gibt, ist Nebensache. Glücklich und zufrieden verbringen wir den Nachmittag eingemummelt in unsere Schlafsäcke und unter der frisch bezogenen Decke lesend und dösend im Bett. Draußen bläst ein eisiger Wind. Sorgenvoll blicken wir immer wieder aus dem Fenster und sind einmal mehr froh, dass wir uns vom Grunde her nicht mehr darüber sorgen müssen, ob es 10 oder 50 cm schneit. Am nächsten Morgen die Überraschung - es hat tatsächlich ein paar Zentimeter geschneit und die karge Landschaft sieht aus wie von einer Puderzuckerschicht überzogen. Und - die Sonne scheint wieder. Das kleine Wetterintermezzo hat für uns also keine Auswirkungen auf die nächsten Wanderkilometer.

Wieder einmal mehr überrascht uns die ausgezeichnete auf die Bedürfnisse der Wandersleute eingestellte Infrastruktur: In Munchi quert ein Bäckermeister mit frischen, noch dampfenden Schokoladenbrötchen unseren Weg. Schokoladenbrötchen? Hier am Berg? Da können wir nicht widerstehen. Kulinarisch lassen wir uns von Empfehlungen aus dem Wanderführer leiten. Eines der Gästehäuser in Brakha ist für seine Lasagne bekannt. Hier finden wir leider kein Zimmer (aufgrund der niedriegen Zimmerpreise ist es die Regel, dass man in der jeweiligen Lodge Abendbrot und Frühstück konsumiert, in der man auch nächtigt), doch wir gönnen uns ein herrliches Mittagessen und haben das Gefühl, dass tatsächlich mal ein Italiener in der Küche vorbeigeschaut hat. Sowohl die mit Käse überbackenen Nudelplatten also auch die Fettuchini mit frischen Pilzen sind ein Hochgenuss. Auch in Manang geht es kulinarisch hoch her: Die Auslagen in den Bäckereien reichen von Zimtschnecken über Apfelküchlein bis hin zur Schwarzwälder Kirschtorte. Letztere heben wir uns für das nach-Hause kommen auf. Die duftenden Zimtkringel und das saftige Apfelgebäck wanderten erst in die Rucksäcke und später in unseren Mägen. Im einem kleinen Lädchen liegt ein noch nicht angeschnittenes Wagenrad Yakkäse auf dem Tresen. Frisch eingetroffen aus Yak Karka, einer Siedlung gut drei Stunden Fußmarsch oberhalb von Manang. Käse haben wir schon sehr, sehr, sehr lange nicht mehr gegessen und umso mehr schmeckt uns die aus Brötchen und Käse bestehende Brotzeit während der Wanderung.

In Manang verbringen wir noch zwei sehr eindrucksvolle Tage. Im Talkessel gelegen wird es vom Gipfel der Annapurna III überragt, der Gangapurna-Gletscher mündet in einen kleinen türkisblauen Gletschersee und westlich vom Ort zweigen zwei Hochtäler ab, die zum Tilicho-See und zum Thorung-La Pass führen. Die abendlichen Gespräche um uns herum kreisen meist um diese beiden Ziele. Geht ihr auch noch zum Tilicho-Lake, bevor ihr den Thorung-La in Angriff nehmt? Wie viele Tage habt ihr geplant? Was wir hören und beobachten lässt uns nachdenklich werden: Sind sich all die (zum Großteil noch sehr jungen) Leute bewusst, in was für einer Höhe wir uns befinden (3520 Meter) und was es bedeutet, noch 1900 Meter aufzusteigen und welche Risiken damit verbunden sind? Der Annapurna-Circuit wird häufig als "Das macht man dann halt in Nepal" vermarktet. Dass es keineswegs ein Schulausflug ist, daran erinnert die Tragöde vom 14. Oktober 2014, bei der 60 Wanderer bei einem Wettersturz vorm Pass tödlich verunglückten. Nur mit ausreichender Akklimatisation, guter Ausrüstung und ohne falschem Ehrgeiz sollte man diesen Pass begehen. Wir wünschen all den ambitionierten und motivierten Mitwanderern, dass sie ihr Ziel erreichen und das Wetter weiterhin stabil bleibt.

Der Ort Manang eignet sich super aus Ausgangsbasis, um die Umgebung zu erwandern: Eine bizarre und wüstig anmutende Mondlandschaft zu Fuße der Achttausender ist unsere Kulisse, traumhafte Aussichten in Richtung Tilicho, Thorung-La und über das Manang-Tal und über den Gletschersee der Lohn für die hart erarbeiteten Aufstiege. Die Tage sind herrlich sonnig, die Nächte eisig kalt und sternenklar. Ab dem frühen Nachmittag frischt der Wind auf. Sturmböen pfeifen durch das Tal, reißen an den Gebetsflaggen und wirbeln Unmengen an Staub auf. Dann gleichen die Straßen in Manang einer alten Westernstadt. Wenn wir uns nicht bewegen oder auf eine der Mahlzeiten warten, dann liegen wir eingekuschelt und dick angezogen in den Schlafsäcken. Jedes nächtliche und morgendliche Aufstehen kostet etwas Überwindung. Und so schwingt neben all der Freude über die grandiose Landschaft, unser Zimmer mit Panoramafenstern und die Bergsichten auch ein bisschen Vorfreude auf das Flachland mit seinen Annehmlichkeiten mit: Vor allem nach Wärme sehnen wir uns. Einfach draußen sitzen und nicht frösteln ...

So verabschieden wir uns von der dünnen Höhenluft und lassen uns mit einem Jeep in einem gut 11-stündigen Ritt über die Piste hinunter ins Tal nach Besi Sahar bringen. Gemeinsam mit Darren  aus Australien und Kai aus Deutschland ergattern wir einen der Plätze im Auto, ca. 10 Nepalis werden auf die Ladefläche gesetzt. Es herrscht das übliche Chaos: Wer darf mit? Welche Dinge werden geladen? Am Ende scheint es wieder mal alles eine Frage des Preises zu sein. Hast du in Manang einen Jeep, dann bist du der Größte und hast (da es abgesehen von Motorrädern die einzige Form des motorisierten Verkehrs ist) viel zu Sagen. Wir schütteln die Köpfe, ärgern uns ein wenig darüber, dass das System für uns so undurchsichtig ist und wir zu viert auf der schmalen Rückbank sitzen sollen (zu dritt ist gerade genug Platz, dass alle angelehnt sitzen können). Es wird verlangt, dass wir einen Platz extra zahlen und als klar wird, dass die beiden Mitreisenden bereits unterschiedlich viel gezahlt haben, entscheiden wir uns, erstmal gar nix zu zahlen für den Transport und abzuwarten, bis wir unten im Tal wohlbehalten ankommen. In den ersten Stunden können wir viel Eindrücke revue passieren lassen, ab Dharapani beginnt Neuland. Zum Mittag gibt es Dhal Baht für alle :-)

Als wir Besi Sahar erreichen, ist es bereits dunkel.  Die Rucksäcke auf der Ladefläche dienten anderen Nepalis als Sitzmöglichkeit, es ist zum Glück alles heil geblieben. Dieser Personentransport schien auch den Offiziellen zu chaotisch und gefährlich zu sein. Bei jedem Polizeiposten an diesem Tag müssen die Nepalis vorher aussteigen, laufen als Spaziergänger an der Polizei vorbei, um 300m später wieder aufzusteigen - am Ende übersah der Fahrer einen Polizeiposten und erhielt erstmal einen (gerechten) Strafzettel für diese Art des Zusatzverdienstes. 


Für wenige Euros finden wir ein einfaches Zimmerchen. Wir atmen durch, strecken uns und sind froh, diesen Tag überstanden zu haben. Das erste Mal seit Beginn unserer Tour sitzen wir Abends noch draußen und trinken ein Bier. Ein Hoch auf das Leben und dass wir unser dreiwöchiges Wanderabenteuer gut überstanden haben. Danke an die Gelenke (nur ein wenig hat es geziept), den inneren Schweinhund (der sich hat überwinden lassen), Herrn Petrus (dafür, dass er uns so gutes Wetter beschert hat), unserem zähen Sherpa-Guide Pasang (der uns zum und über den Larke-Pass geführt hat) und all den lieben Menschen, die uns gedanklich begleitet haben. Es war uns ein wahres Vergnügen, die Abgeschiedenheit und Einfachheit zu erleben und den Gipfeln so nah zu sein.

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Kommentare: 2
  • #1

    Karin (Sonntag, 17 Dezember 2017 15:02)

    Einfach genial seit stolz auf euch

  • #2

    Lieblingsonkel (Sonntag, 17 Dezember 2017 15:50)

    Toll, hat mir gut gefallen.