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Wie wir in eine neue Woche starten - oder auf Reisen lernen wir, Entscheidungen zu treffen

Es ist halb sieben Uhr morgens, der Hahn kräht und die Hunde bellen. Wir heben die Köpfe und schauen verschlafen aus dem Fenster - heute ist etwas anders. Der Dunst hat sich aufgelöst und die Silhouetten der Berge sind zu erkennen. Unser Zimmer macht seiner Beschreibung "mit Bergblick" alle Ehre. Obwohl wir gestern Abend sehr, sehr spät ins Bett gegangen sind, dauert es keine drei Atemzüge und wir stehen am Fenster. Da sind sie: Der Machhapuchre - das nepalesische Matterhorn, einer der vorderen Annapurna-Gipfel und Berge, von denen wir den Namen nicht wissen. Schneebedeckt und mächtig ragen sie empor und rauben uns - obwohl wir lediglich vom Balkon staunen und keinerlei Bewegung ausführen - den Atem. Was für ein Ausblick... Und was für ein Luxus, so in die neue Woche starten zu können. Es ist Montag-Morgen. Kein Stöhnen, Gähnen und Aus-Dem-Bett-Quälen. Stattdessen kochen wir uns eine Tasse Tee und genießen den Moment.

Nun mag man glauben, dass Reisen immer gleich Urlaub ist. Ganz so "einfach" ist es aber nicht. Tagtäglich stehen wir vor neuen Fragen und kleinen und großen Herausforderungen: Wie kommen wir von A nach B? Wo schlafen wir? Was wollen wir sehen und erleben? Wir sind Gäste in fremden Ländern und in jedem Land bedarf es ein paar Tage der Orientierung. Anders als bei Urlaubsreisen ist das Programm auch nicht nur im Ansatz durchgeplant, wenn wir eine Grenze überschreiten. War der Rahmen auf der Zugstrecke von Berlin nach Peking noch relativ klar vorgegeben (mit Stopps entlang der Transsib), so hat uns schon die Reisefreiheit in China mit diesen Fragen konfrontiert und viel Recherche, Lesen, Eindenken erfordert. Gleiches gilt für Nepal. Fest steht: Wir wollen in einer Region, die das "einfache" (im Vergleich zum Camping) Teahouse/Lodge-Trekking a la Hüttentour ermöglicht, wandern und den Bergen ganz nah sein.


Mit der Entscheidung, nach Pokhara zu fahren, ist quasi auch die Entscheidung gegen den Treck in der Khumbu-Region (dort, wo der Everest zu Hause ist) gefallen. Es klingt zwar mehr als verlockend, zum Everest Basislager zu trekken, aber einige Punkte sprechen für uns dagegen (mindestens ein Inlandflug wäre notwendig, um von Lukla wieder gen Kathmandu zu kommen - hier oben gibt es keine Straßen; Akklimatisation an die Höhe wohl recht schwierig, da auf kurzen Wegstrecken große Höhenunterschiede überwunden werden; zur Zeit sind wenig bis keine Bergsteiger unterwegs: Laut Reiseführer ist vom Basislager nicht viel mehr als ein Geröll- und Schneefeld zu sehen - Saison fürs Bersteigen ist im Frühling. Für uns Wanderer gäbe es also keine Expeditionen zu bestaunen).


Schon seit Anjas letzter Nepalreise kreist der Manaslu durch unsere Geister. Eine Wanderung um den achthöchsten Berg der Erde verspricht Ursprünglichkeit, Weitsichten und deutlich weniger Wandersleute als am benachbarten Annapurna. In unserer Gesprächen und bei den Recherchen kommen wir immer wieder zurück zum Manaslu. Wir wägen ab - wollen wir alleine wandern oder mit Guide? Wie viel trauen wir uns zu? Wie wird sich das Wetter bloß entwickeln? Wie werden wir mit der Höhe (sowohl beim Annapurna-Circuit als auch bei der Mansalu-Umrundung werden Pässe mit mehr als 5000 m überquert) zurecht kommen? Wie viele Menschen sind zur Zeit am Annapurna (die Umrundung des Annapurna-Massivs gehört zu den wohl beliebtestens Trecks Nepals - ca. 20.000 Wanderer machen sich jährlich auf den Weg; am Manaslu sind es ca. 2000) unterwegs? Ist es uns vielleicht zu voll? Haben die Locals noch Freude und Interesse an den Fremden? Was fehlt uns noch an Ausrüstung? All das sind Fragen, mit denen wir uns in den vergangenen Tagen auseinandergesetzt haben. Einquartiert in ein schönes Zimmer in einem für unsere Verhältnisse gutem Hotel lassen sich diese Fragen bewältigen, ein Plan für die kommenden Wochen austüfteln und die Erkältungen, die wir aus China mitgebracht haben, auskurieren.


Was haben wir also nun ausgetüftelt?


Morgen früh starten wir mit einem Guide gen Manaslu, welchen wir in etwa zwei Wochen umrunden wollen. Wenn es die Straßenbedingungen zulassen, werden wir bis Soti Kola fahren und von dort laufen. Wenn es "schlecht" läuft, ist in Arugat Endstation. Der Guide begleitet uns bis zum 12.11.2017 bis nach Dharapani. Hier treffen Annapurna-Circuit und Mansalu-Treck zusammen. Wenn das Wetter noch mitspielt (auch in Nepal wird der Winter Einzug halten) und wir noch Lust und Kraft haben, wollen wir weiter Richtung Jomson laufen.Wir sind guter Dinge, haben noch das eine oder andere an Ausrüstung besorgt (Wanderstöcke, Wasserfilter, Mützen und Handschuhe, Regenhose, neue - noch nicht durchlöcherte - Wandersocken und ein paar Kleinigkeiten) und sind nun fast startklar. Einzig und allein um Bargeld müssen wir uns heute (noch einmal) kümmern. Hier machen es die nepalesischen Banken den ausländischen Visakarten-Inhabern gerade nicht einfach. Die Geldautomaten spucken kein Geld aus. So haben wir den Sonnabend schon damit verbracht von Bankomat zu Bankomat zu tingeln. Vier Stunden, 25 Automaten. Am Ende haben wir zwei Automaten gefunden, die uns mit Bargeld versorgt haben. Nepals Bankensystem ist uns ein Rätsel! Während ihr euch also durch den Montag-Morgen wuselt, gehen wir auf Bankomat-Tour, packen unsere Rucksäcke und genießen noch einmal die Annehmlichkeiten (Frühstück im Garten des Hotels, heiße Dusche, vielleicht auch ein Mittagsschläfchen) der Zivilisation. Die nächsten Wochen werden wir spartanischer leben und ja - wir sind schon aufgeregt. Die Tour wird mit Sicherheit kein Spaziergang. Aber Spazieren gehen können wir ja auch zu Hause :-) Aber seid beruhigt - wir werden nichts überstürzen und gut auf uns acht geben. Drückt uns die Daumen, dass wir die Anstiege bewältigen und unsere muskulösen Waden uns Höhenmeter um Höhenmeter nach oben drücken.

PS: Für alle Neugierigen unter euch - nach Nepal kommt Indien. Wir fliegen am 07.12. von Kathmandu nach Delhi. 

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Kommentare: 5
  • #1

    Dieter (Montag, 30 Oktober 2017 14:47)

    Beeindruckend, ich drück euch die Daumen das alles so abläuft wie von euch geplant.
    Weiterhin viel Spaß an eurer einzigartigen Reise .

  • #2

    Karin (Montag, 30 Oktober 2017 18:13)

    Ich bin beeindruckt - passt auf euch auf

  • #3

    Carmen (Dienstag, 31 Oktober 2017 13:39)

    Weiterhin gute Reise! Jan und ich reisen auch gerade, wenn auch nur mit dem Auto nur durch Deutschland, und ich lese eure China-Einträge dabei vor! Liebe Grüße!

  • #4

    Lieblingsonkel (Dienstag, 31 Oktober 2017 13:44)

    Sagenhaft! Kommt gut wieder.

  • #5

    Pap´s (Samstag, 25 November 2017 17:14)

    Auch wieder ein faszinierender Reisebericht, top geschrieben 1 A fotogrphiert !