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Auf dem Weg zu den 8000ern

Es ist 06:00 Uhr morgens, Pokhara schläft noch und du sitzt mit gepacktem Rucksack auf dem Bürgersteig vor der Agentur, die dir den Guide und die Trekking-Permits für die kommenden zwei Wochen ausgestellt hast. Ein fliegender Händler kommt mit einem Tablett frischer, noch dampfender Bäckerware vor bei. Apfeltaschen, Zimtschnecken, Schokoladenbrötchen. Für einen kurzen Moment überlegst du - besser nicht. Der Verpflegungsbeutel für die Fahrt ist prall gefüllt Obst, gefüllten Gemüsetaschen, Backware von der kleinen deutschen Bäckerei. Das muss erst einmal alles gegessen werden. Was nicht gegessen wird, muss spätestens ab Morgen getragen werden. Hinauf ins Tal des Budhi Gandaki. Die Gedanken werden unterbrochen, ein Auto fährt vor. Die Rucksäcke werden verstaut und auf geht es zum lokalen Busbahnhof, wo Leben schon pulsiert. Dein Guide und  zuverlässiger Wegbegleiter für die kommenden zwei Wochen, kümmert sich um die Bustickets - einen Platz extra für die Rücksäcke bitte! Nur wenige Momente später sitzt du eingeklemmt im Bus, der dich nach Gorkha, einer Kleinstadt am Rand der Berge bringen wird. Die Knie stoßen unentwegt an den Vordersitz und jedes Schlagloch versetzt dem Allerwertesten einen ordentlichen Stoß. Noch ein bisschen verschlafen und dösig schaukelst du durch den frühen nnepalesischen Morgen und bist froh, überhaupt auf einem Platz sitzen zu können - mindestens die Häfte der Passagiere reist auf einem  der Stehplätze im Gang des klapprigen Gefährtes. Nepalis scheinen genügsame Zeitgenossen zu sein, die die Situationen so nehmen, wie das Leben sie mit sich bringt.


Nach vier Stunden erreicht der Bus Gorkha - fast pünktlich! Die Chancen stehen also gut, heute noch bis an den Ausgangspunkt des Manaslu-Trecks nach Soti Kola zu kommen. 60 km in zwei anderen Bussen müssen dafür noch überwunden werden. Fast schon (zu) vorfreudig ist Gorkha erreicht. Am Ticketschalter (ein Tisch innerhalb einer Art Käfig, der  an einer Ecke des kleinen, chaotischen Busparkplatzes aufgebaut ist und der Ticketverkäufer und -käufer trennt - Geldscheine und Tickets werden durch die Gitterstäbe gereicht) dann die Ernüchterung: Für den nächsten Bus gibt es keine Sitzplätze mehr, ein Stehplatz für weitere vier Stunden Busfahrt ist für normalgroße Europäer undenkbar: Gebückt auf unbestimmte Zeit (in Nepal weiß man nie so genau, wann der Bus sein Ziel erreicht) im voraussichtlich vollbesetzten Bus stehen? Bei dieser Vorstellung fällt es nicht schwer, die drei Stunden Wartezeit bis zum nächsten Bus zu akzeptieren. 14:00 Uhr ist Abfahrt gen Arughat Bazaar. Der Ausgangpunkt für die Tour wird erst morgen Vormittag erreicht. Herzlich willkommen in Nepal!


Alles was mit öffentlichen Verkehrsmittel zu tun hat, erfordert jederzeit Flexibilität und Spontanität. Sei offen dafür. Am Ende wirst auch du dein Ziel erreichen, auch wenn der Weg dahin ein äußerst unbequemer und langwieriger ist. Und du wirst Dankbarkeit verspüren: Dafür, dass du in einem Land leben darfst, in dem die Infrastruktur so perfekt ausgebaut ist, die Fernbusse fast geräuschlos über die dreispurige Autobahn gleiten, Züge unterschiedlichster Art fahren, ein eigenes Automobil nicht nur der Elite vorbehalten ist und in dem das Reisen und von A nach B Kommen so einfach, umkompliziert und strukturiert ist. Die Einwohner Nepals müssen - wann immer sie sich fortbewegen wollen - ein Leben lang mit den schlaglochdurchzogenen, zum Großen Teil unasphaltierten Pisten (wenn es denn überhaupt eine Straßenanbindung an ihr Dorf gibt) und der sehr langsamen Reisegeschwindigkeit leben.

Drei Stunden, ein Milchkaffee, ein Teller mit gebratetenen Nudeln und ausgiebigem Beobachten des Geschehens am Busbahnhof später ... im Bus, der in Kürze nach Arughat losfahren soll: Der Bus füllt sich, schweres und großes Gepäck wird auf dem Dach festgezurrt - die drahtigen Nepalis in ausgetretenen FlipFlops leisten ganze Arbeit. Sind alle an Bord? Kikeriki. Ein Hahn? Hier im Bus? Du hebst deinen Kopf, blickst dich um siehst in direkt über dir in der Gepäckablage sitzen. Frech lugt er aus seiner Reiseverpackung, einem gelben grobmaschigem Beutel heraus. Dann kann es ja losgehen!

Was bis Gorkha noch eine asphaltierte Straße gewesen ist, verwandelt sich kurz nach Verlassen des Ortes in eine Piste: Der Bus wühlt sich durch den zerfahrenen, meist einspurigen, sich am Hang entlangschlängelnden Fahrweg. Aus den Lautsprechern schallt blecherne Musik. Auf deiner Armlehne sitzt mit halb ein Nepali und du wünschst dir, dass das Ziel möglichst schnell näher kommt. Wenn mal ein Ausblick aus dem Fenster zu erhaschen ist, dann erfreust du dich an den sehr steil am Hang angelegten Reisterassen und hoffst, dass der Busfahrer seinen Weg und die ausgesetzten Stellen gut kennt. Immer positiv bleiben! Du bist auf dem Weg in ein großes Abenteuer (und kein Abenteuer wäre ein richtiges Abenteuer, wenn es ohne Mühe zu erreichen wäre, oder?) ...

Bereits nach knapp 2,5 Stunden nimmt der Bus Kurs auf Arughat. Das Ziel für heute ist in Sicht. Verdränge die Kopfschmerzen - du hast es fast geschafft! Aussteigen, Rucksäcke schultern und auf in Richtung Unterkunft für diese Nacht. Im Hotel Manaslu ist ein einfaches Zimmer mit zwei Betten und einem kleinen Balkon in Richtung Hauptstraße das Reich für die Nacht. Schlafsäcke ausrollen, Kopfkissen mit Jacke und Tuch einpacken. Schon sieht es ganz heimelig und vertraut aus. Zum Abendessen gibt es Momos - mit Gemüse gefüllte Teigtaschen. Musik klingt durch die Luft. In Arughat findet eine Art Jahrmarkt statt. Eine alte rostige Schiffsschaukel schwingt bedächtig auf und ab, auf dem für sein Alter sich recht rasant drehenden Riesenrad jauchzen die Fahrgäste vor Freude. Wer die nepaleschen Busse gewöhnt ist, hat Vertrauen in die alten rostigen Fahrgeräte. Als Europäer reicht ein "über den Zaun das Geschehen aus sichrere Entfernung beobachten". Wie erfrischend und zugleich skuril es doch ist, hier am gefühlten Ende der Straßen Menschen zu beobachten, die sich bei Neonbeleuchtung und musikalischer Beschallung auf einer Festwiese tummeln und ganz ausgelassen den Abend genießen. Das ganze Städtchen scheint zusammengekommen. Was für ein überraschender Abschluss des heutigen Reisetages.

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