· 

Radabenteuer im Ghorki-Terelj-Nationalpark

Unser Wunsch nach individuellem Entdecken und Erkunden ist mal wieder da - wir wollen uns nicht einfach "nur" durch das Land schaukeln lassen, sondern auch einen Teil der Zeit ganz nach unsere Vorstellungen gestalten. Blauäugig in Ulan-Bator angekommen, scheint es auf den ersten Blick kein so leichtes Unterfangen zu sein, diesen Wunsch in die Realität umzusetzen...

Die Vorbereitung
Die Mongolei individuell zu bereisen, d.h. ohne Touranbieter erfordert etwas Aufwand. Unsere erste Idee, ein paar Tage mit einem Ural-Side-Car (Motarrad mit Beiwagen) bei www.checketours.com durch die Steppe zu fahren, klappte leider nicht, da am Standort, wo die Motorräder verliehen werden, irgendeine Tier-Seuche ausgebrochen ist und die Gegend für 21 Tage in Quarantäne liegt. Wir erkundeten daher die Fahrradverleih-Angebote und nach etwas Hin&Her kamen wir zu "Trek Cycling Mongolia" und bereuten es nicht. Der Service hier war wirklich sehr gut, vor allem weil Joel und seine Mitarbeiter sich uns annahmen und Lust hatten, unsere Idee des individuellen Fahrens zu unterstützen. Normalerweise bieten sie geführte Touren an und kamen gerade von einer 6 Tages-Tour, deren GPS-Track wir dann auch für unsere Smartphones bekamen.  Wir probierten ein paar Räder aus und entschieden uns für die "professionelle Variante", zwei Trek XCaliber 9 Mountainbikes - diese wurden dann "tourfähig" ausgestattet, d.h. es gab eine "interessante" Gepäckträgerlösung, dazu Lenkertaschen und leider sehr billige Hauptgepäcktaschen - 2018 möchte Joel allerdings auch Taschen a lá Ortlieb/Vaude anbieten. Neben all den fahrrad- und tourspezifischen Themen haben wir noch einen spannenden Kurzeinblick in das mongolische Wirtschafts-, Finanz-, und Politiksystem erhalten, da Joel nicht nur Betreiber des Fahrradladens ist, sondern als ehemaliger Bänker aus Belgien mit Russischkenntnissen über diverse Wege seit 13 Jahren nun in Ulaan-Baator lebt. Da es nicht allzu viele Belgier hier gibt, ist er gleichzeitig Belgischer Honorarkonsul und der Fahrradladen ist im Hinterstübchen quasi eine kleine belgische Botschaft - etwas skuril, aber für uns ideal, weil wir dann dort für die Tour unsere Original-Dokumente, Pässe, Kreditkarten etc. sicher verwahren konnten.
Nachdem die Räder-Frage soweit geklärt war, benötigten wir noch Outdoor-Equipment. Im einzigen - in Ulan Bator - relevanten Outdoorladen (Seven Summit) erstanden wir einen Gaskocher von Edelrid und dünne Isomatten. Das Zelt hätten wir dort auch leihen können, aber es war unverhältnismäßig teuer, so dass wir uns für einen Rundgang auf dem Schwarzmarkt entschieden. Hier bekommt man alles und am Ende sogar ein sehr brauchbares 3-Personen-Zelt für 60€, welches wir auf der Tour mehrfach liebgewannen.
Da es laut Joel auf der Tour nur wenig Verpflegungsmöglichkeiten gibt, kauften wir noch Essen für 7 Tage ein und bepackten die Räder - wir haben sie nicht gewogen, aber sie waren während der Tour dauerhaft zu schwer, sodass wir beim Erlimmen der Berge ordentlich in die Pedalen treten mussten, um die Kilos zu bewegen.

Die ersten Kilometer
Das Rausrollen aus Ulaan-Baator durch das Verkehrschaos funktioniert überraschend gut - zwei vollbepackte westliche Radfahrer sehen sie hier nicht alle Tage und man bekommt sogar manchmal Vorfahrt. Bei schönstem Sonnenschein verließen wir die Großstadt, erstanden noch ein paar Putzhandschuhe, die als Radhandschuhe dienten und erreichten mittags die ersten Schotterwege. Wir schauten uns um und sahen eine schwarze Wolkenfront auf uns zu rollen - ein Vorgeschmack auf die nächsten Tage sollte folgen, denn innerhalb kürzester Zeit gewitterte und regnete es und wir mussten rasch einen improvisierten Unterschlupf basteln, um nicht bis auf die Knochen nass zu werden. Nachdem wir noch einer Gruppe Jugendlicher geholfen haben, ihr (gänzlich für den Weg ungeeignetes) Auto aus einem Fluss zu schieben (welchen wir im Folgenden auch queren mussten), erreichten wir endlich den offiziellen Startpunkt der Tour / des GPS-Tracks. Wir radelten in der Abendsonne in ein Tal und entschieden, dass wir gut sichtbar, aber in Abstand zu den vereinzelten Jurten unser Zelt aufstellten. Wir konnten es beide noch nicht ganz fassen, aber wir waren tatsächlich alleine in der mongolischen Natur zwischen Jurten, Wiesen, Bergen und Tieren...

Die Tiere... Manu hatte ja eigentlich gedacht, dass Anja nach so langer Zeit in Heiningen mit allen Tieren quasi auf Du-Ebene ist - am Morgen "besuchte" uns eine Kälber-Herde, die interessiert unser Domizil betrachtete - wir vertrieben sie freudig bis zwei Bullen auf uns zutrotteten - so rasch wie an dem Morgen hatten wir nie wieder die Räder bepackt. Die nächsten Schlafplätze wurden daraufhin danach ausgewählt, wo Tiere sich befinden und ob sie uns nah kommen könnten. 

Rad-Momente
In den kommenden Tagen erklommen wir kleinere und größere Berge, wo sich unsere Räder als deutlich zu schwer beladen herausstellten. Insbesondere Anja hatte anfangs Schwierigkeiten, ihr schweres lila Ross zu bändigen, zumal die Strecken zwar meist Fahrspuren von Autos oder Motorrädern der Nomaden waren, aber auch das ein oder andere Geröllstück dazwischen lag - fahrtechnisch bereits ohne Gepäck eine Herausforderung. Wir genossen daher doppelt die Bergabfahrten.

Spontane Wetterwechsel zwangen uns zu täglichen Planänderungen- wir hatten in dem Gelände keine Lust auf Regenfahrten, daher verbrachten wir zwei Vormittage in unserem heimeligen Zelt mit Lesen und warteten, bis der Regen aufhörte.  Meist waren die Nachmittagsstunden die Schönsten, insbesondere vom Licht und den Farben. Der mongolische Herbst hat in der Region hier bereits eingesetzt und entzückte uns mit schönen Baumfärbungen. So hatten wir uns die Mongolei nicht vorgestellt und waren positiv überrascht von der Vielfalt. Wir hätten stundenlang in der Lichtstimmung weiterradeln können, aber gegen 18:00 Uhr beschäftigten wir uns bereits langsam mit der Zeltplatz-Suche, da um 19:00 Uhr die Sonne unterging. Ein idealer Zeltplatz hatte etwas Aussicht, lag halbwegs gerade, nicht weit entfernt von einem Fluss (Trinkwasser) und möglichst ohne Mücken oder andere Tieren in der Umgebung. Nach der täglichen Anstrengung erfreuten wir uns unserer warmen Nudeln und schliefen meist relativ rasch ein - wenn es nur an nicht so kalt gewesen wäre - aufmerksame Leser haben bereits oben "dünne Isomatten" und "Herbsteinzug" miteinander kombiniert und ja : es wurde nachts bitterkalt. Mit zwei Schlafsäcken übereinander (Manu) und warmer Wärmflasche im dicken Schlafsack (Anja) sowie jeweils alle Merino-Woll-Sachen und zwei Paar Socken übereinander versuchten wir der Kälte zu trotzen  -es gelang so halbwegs. Umso schöner morgens warmes Porridge & Tee zu genießen und sich wieder zu motivieren, aufs Rad zu steigen.

Motivation benötigten wir jeweils auch an unseren "Fluch&Segen"-Naturfreunden, den Flüssen und Bächen. Wir freuten uns, wenn sie uns mit Trinkwasser versorgten und verfluchten sie, wenn wir sie mit den Räder durchqueren mussten - meist wateten wir ohne Schuhe & Socken durchs eiskalte Wasser, die Räder nebenherschiebend. Ein Fluss war so tief, dass wir komplett abpacken und alle Dinge einzeln rübertrugen - aber wo ein Wille, da ein Weg und die Füße wurden meist rasch wieder beim Treten warm.

Die Menschen, die uns in ihren Jeeps, kleinen LKWS, Motorrädern oder Pferden begegneten, waren in der Regel freundlich und wir winkten uns zu. Leider entstand kein großer Austausch untereinander aufgrund der Sprachbarriere - wir glauben aber, dass Radreisende in der Mongolei durchaus mit Respekt und Anerkennung von den Nomaden betrachtet werden, da wir ja wie sie auch "reisende Naturverbundene" sind. Wir rätselten häufig über das Leben, welches sie führen - was macht eine Nomadenfamilie den ganzen Tag ? Wie lange bleiben sie an einem Standort ? Was passiert im Winter ? Schließen sich die Familien auch mal zusammen zu einem Dorf ? Was lernen die Kinder und wie versorgen sich die Menschen ? Auf viele Fragen haben wir (noch) keine Antworten, aber wir hatten den Eindruck, dass die Nomaden ihr Leben so in der Form freiwillig wählten und auch zu schätzen wissen, frei und selbstständig zu sein.

Die Landschaften, welche uns im Terelj-Ghorki-Nationalpark erwarteten waren grandios und ein Vorgeschmack auf dass, was die Mongolei in Sachen Natur und Panoramen zu bieten hat: Täler, Flüsse, Horizonte, Felsen, Labfärbungen, Wiesen, Schafe, Kühe, Pferde, Cowboys. Wenn uns nicht immer ein oder zwei Jurten an unseren Standort - die Mongolei - erinnert hätten, wäre  es ein Leichtes gewesen, zu glauben, dass wir irgendwo in Kanada, der USA oder auch in Irland unterwegs sind.
Nachdem wir am 6. Tag in einem mit Rauhreif überzogenen und gefrorenen Zelt aufwachten und die Berge mit Schnee gepudert waren, entschieden wir schweren Herzens,  die Tour zu verkürzen und die ganz hohen Pässe (2000m) auszulassen - im Nachhinein eine gute Entscheidung, auch wenn sich das Wetter wieder bessern und stabiler werden sollte. Wir durchfuhren das Haupttal des Terelj-Nationalpark - in unseren Augen touristisch schlimm "entwickelt" mit unzähligen Tourist-Camps und Hotelanlagen im Bau. Sicherlich entwickelt sich der Tourismus hier im Land weiter zu einem starken Wirtschaftsfaktor, aber ob die Zukunft  in mehrstöckigen Prunk-Hotels, eingezäunten großen Jurten-Anlagen und Busgruppen liegt, bezweifeln wir doch sehr.

Zum Schluss unserer Radl-Tour erfüllten wir noch Anjas Traum von Dschingis  Khan- etwa 80km östlich von Ulaan-Baator steht die weltgrößte Reiterstatue prachtvoll in der Landschaft. Von Nahem betrachtet wirkte jedoch der Mix aus "Traditionelle Tracht-Fotos schießen" /Souvenir-Store/ Busladungen an anderen Touristen" auf uns nach den Tagen in der Natur eher abschreckend. So prachtvoll war der Mongolen-Herrscher dann doch nicht, dass wir dort weiter bleiben wollten. Die Rückkehr in die Hauptstadt verkürzten wir, indem wir am Straßenrand den Daumen rausstreckten und uns ein Schrotthändler mit seinem kleinen LKW über die viel befahrene Straße etwa 50km mitnahm. So zelteten wir ein letztes Mal vor den Toren und Lichtern der Stadt und kamen nach 8 Tagen und vielen Kilometern voller neuer Eindrücke und viel Natur und frischer Luft wieder zurück in unser Hostel nach Ulaan-Baator.

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Karin und Udo (Montag, 11 September 2017 18:06)

    Toller Bericht, super dass ihr das so erleben könnt��

  • #2

    Lieblingsonkel (Montag, 11 September 2017 18:27)

    Ich schließe mich Karin und Udo an.

  • #3

    Pap`s (Montag, 11 September 2017 18:31)

    Man wartet förmlich auf Eure Berichte, denn sie sind herrlich anzuschauen und zu lesen