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Stolby und Krasnojarsk - auf den zweiten Blick eine "schöne Stadt"

Unser allwissender Reiseführer bereitet uns auf Krasnojarsk vor - wir kannten diese Stadt zuvor nicht, wollten jedoch nach der 60h Zugfahrt aus Moskau unbedingt in die Natur, in den Stolby-Nationalpark, der hinter Krasnojarsk beginnt. Erstaunlich ausgeschlafen steigen wir aus dem Zug, orientieren uns und es fallen uns zwei Reiseradler auf - den Packtaschen nach ordnen wir sie als Deutsche ein und wie es der glückliche Zufall will, haben sie dasselbe Hostel ausgewählt und wir lernen Hannes und Martina kennen. Sie sind in Peking gestartet, haben große Teile der Mongolei durchradelt und befinden sich nun auf dem Weg nach Moskau.


Wir starten in den Vormittag mit einer langen heißen Dusche und erkunden die Stadt nach einer Frühstücksmöglichkeit. Krasnojarsk präsentiert sich uns leider als eine Dauer-Baustelle. Es ist grau, überall sind die Straßen aufgerissen und bis wir ein Frühstückscafe gefunden haben, vergeht viel Zeit. Wie in jeder russischen Stadt gibt es eine "Karla Marxa" und eine "Lenina"-Straße, allerdings fällt uns wieder auf, dass es kein klares Zentrum oder einen Marktplatz oder ähnliches gibt. Nach einem guten Kaffee und einer Art Apfelstrudel, verschaffen wir uns im Nieselregen zunächst einen Überblick über die Stadt von einer kleinen Anhöhe mit der berühmten "10-Rubel"-Kapelle. Die Scheine, mit einem Nennwert von 0,14 Cent werden zwar langsam durch Münzen ersetzt, aber manchmal halten wir diesen Schein in der Hand mit der kleinen Kapelle darauf abgebildet. Unser Blick schweift über Hochäser, Beton und Plattenbauten - anheimelnd ist anders. Bei NIesel und Wind zeigt sich die russische Stadtplanung von ihrer (auf den ersten Blick) tristen Seite. Am Horizont erheben sich die Berge des Stolby-Naturparkes.

Nach dem Abstieg begegnet uns der glückliche Zufall. Konstantin, ein junger Mann, der uns 2h vorher ein Frühstückscafé empfohlen hat, steht mit seinem Auto am Fußgängerüberweg und winkt uns zu. Er hält an, räumt die Sitze frei und lädt uns ein, mit ihm eine Runde mitzufahren. Wir sind zunächst etwas unsicher, aber lassen uns darauf ein. Es wurde ein toller Nachmittag. Er ist Programmierer, hat einen freien Sonntag und mag es, mit uns Englisch zu sprechen. Manchmal ist es etwas schwierig mit den Vokabeln, aber wir lernen den Campus kennen, essen Blinis (Pfannkuchen) und trinken Mors (Preisselbeersaft) unterhalten uns über Politik, Russland und erhalten viele spannende Einblicke in die Geschichte von Krasnojarsk: Früher war die Stadt nicht auf den Landkarten verzeichnet, da die Stadt militärisches Sperrgebiet war und hier Raketenforschung betrieben wurde: - in einer damals nach außen hin deklarierten Fernseher-Fabrik wurden bspw. eigentlich Raketen hergestellt. Konstantin fährt mit uns 3h durch die Stadt und wir freuen uns über so viel Gastfreundschaft - Danke für die Eindrücke und für den glücklichen Zufall! Am Fluss des Jenissey (eine graue wabernde Brühe schiebt sich durch das mehrere kilometer breite Flussbett) stehen ein paar zerzauste Palmen: Mit einem Strahlen im Gesicht erklärt uns Konstantin, dass er später mal Inhaber eines oder zwei Banana-Boote am Strand von Sotschi sein möchte. Urlauber am Strand bespaßen und Sonne. Das ist sein Traum. Aber vorher muss er weiter als Programmierer arbeiten und Geld verdienen. Und sich weiter bilden ...

Nach dem Check-In im Hostel geht es für uns noch Schuhe kaufen - nein, nicht für Anja, sondern für Manu. Seine Stadt-Schuhe hatte er leider etwas zu klein ausgesucht und die Füße schmerzen abends. Das Shopping-Center hat auch alle Marken und Varianten zu bieten - selbstverständlich "gut nachgemacht in Asien" - es werden also Fake-Adidas-Schuhe, die von allen noch den vernünftigtsen Eindruck machten. Wir kochen uns ein feines Abendessen im Hostel und stärken uns für den morgen Wandertag.

Wandern in Stolby ist eine kleine Geschichte wert - Nachdem man halbwegs herausgefunden hat, welcher Bus  zum Nationalpark fährt, kommt man dort in einem kleinen Ski-Gebiet mit Seilbahnen an. Leider sagte uns niemand, dass die Bahnen erst um 13:00 Uhr hochfahren - es war 10:30 Uhr. Mit Anjas Handy-Karte und Zuversicht entschieden wir uns jedoch, den Skihang zu erklimmen. Im Schlepptau einen jungen Finnen mit 30 ltr-Rucksack und Einkaufsbeutel, der auch wandern wollte und keine Karte oder Handy dabei  hat. Er ist auf dem Weg nach Taiwan zu einem Austauschsemester und im Laufe des Tages stellt sich heraus, dass er direkt mit dem Zug morgens in Krasnojarsk ankam, mit dem Bus zum Stolby fuhr und dies all seine Sachen sind, die er dabei hat. Mit Turnschuhen und besagtem Einkaufsbeutel erklimmt er alle Steigungen und durchquert alle Matschpassagen des Weges - wir sind allerdings froh über unsere robusten Wanderstiefel.


Stolby ist ungefähr wie die Sächsische Schweiz, nur in größer - es gibt Wald, sehr viel Wald und ein paar Felsen zum Erklimmen. Es gibt sogar eine Wegemarkierung die funktioniert, was Manu sehr freut - warum es allerdings nirgends eine Wanderkarte oder ein PDF oder eine sonstige Beschreibung im Internet im Vorfeld zu finden ist, erschließt sich uns Touristikern nicht. Wir erfreuen uns dem vielen Grün und plötzlich hören wir in der Ferne ein Geräusch - eine Art tiefes Brummen. Zwar entfernt, aber wir drei bleiben dennoch stehen. Es gibt hier Bären im Nationalpark. Unser finnische Begleiter schwankt zwischen Elch und Bär - wir sind die nächste Zeit hellwach und blicken ins Unterholz. Es passiert nichts weiter, allerdings sind die Sinne nun geschärft - Sibirien, du bleibst wild.

Während des Abstiegs treffen wir noch ein australisches Pärchen und nach ungefähr 20km Wandern freuen wir uns wieder in der Zivilisation zu sein. Nach einem russischen Abendessen mit Pelmeni, Soljanka & Co. machen wir uns frisch - wir hatten Hannes und Martina eine Visitenkarte an die Räder gesteckt, dass wir uns auf einen gemeinsamen Abend freuen.  Es gesellen sich noch zwei Bayern dazu und so wird es ein bierseliger Abend im nahen Irish-Pub. Hannes hat seinen Lehrer-Beruf in Berlin an den Nagel gehängt, ist nun Radreiseleiter und Skilehrer und wohnt in Südtirol; Martina arbeitet für Singapur-Tourismus in Frankfurt. Sie berichten uns von Ihrer Tour und es ist schön, so offene, begeisterte (und auch ein bisschen kritische - das, was sie in der Mongolei gesehen haben, beschäftigt im Nachgang noch sehr. Die Krankheiten der Zivilisation scheinen auch vor den Naturvölkern nicht halt zu machen) bescheidene und ausgeglichene Menschen zu treffen. Beide spielen mit dem Gedanken, nochmal Richtung Osten zu fahren, dann mit einem russischen Geländewagen und den Rädern dabei - es ist irgendwie spannend, auf im Geiste Gleichgesinnte zu treffen - man darf an dieser Stelle erwähnen, dass beide bereits über 50 sind ...


So können wir am Ende der zwei Tage in Krasnojarsk unserem Reiseführer zustimmen - es ist eine schöne Stadt, vor allem jedoch aufgrund der Begegnungen und Gespräche, die wir hier hatten, gepaart mit toller Natur.

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Kommentare: 2
  • #1

    Lieblingsonkel (Freitag, 25 August 2017 13:12)

    Der Artikel hat mir gut gefallen. Ich bin einmal am Tag auf euerer Webside. Alles Gute.

  • #2

    Harald Liebig (Sonntag, 27 August 2017 09:41)

    Es tut gut, Euch bei guter Gesundheit zu wissen. Die Eindrücke kann man Anhand der Fotos nur erahnen.
    Die Webside ist 1 A mit *